Mittwoch, 31. Dezember 2008

ein Ausflug nach Islamabad

Ein akkutes Visa-Problem brachte mich dazu, die vergangenen Ferientage größtenteils in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad zu verbringen. Islamabad ist eine verhältnismäßig grüne, saubere und ruhige Stadt mit Kaffeehäusern, vielen Büros, DHL und allem, was das deutsche Herz sonst noch so begehrt.

Ich war mit Rasmus und zwei anderen Freunden unterwegs und dank der Gastfreundschaft der Pakistaner war es kein Problem, bei einem Bekannten in Islamabad zu schlafen, der kurzerhand sein Zimmer für uns räumte.

Den Sonntag verbrachten wir in Murree, einem nahegelegenen Städtchen in den Bergen, das sich die Briten einst zum Sommerrückzugsort eingerichtet hatten. Verrostete Spielgeräte, Betonskelette angefangener Hotelbauten und sogar eine Seilbahn erinnern daran, dass hier einmal mehr Touristen hinkamen. Zurecht, denn der Ausblick über die Berge, bis hinüber nach Kaschmir waren wirklich wunderschön. Es ist wirklich schade, dass dieser kostbare Aspekt Pakistans, die herrliche Natur, so wenig bekannt ist.

Sonnenuntergang in den Bergen... die Ziegen sieht man leider nicht

Montags standen Behördengänge in Islamabad an, bei denen uns unser neuer Freund und Gastgeber, ein junger pakistanischer Journalist selbstverständlich den ganzen Tag begleitete. Im Grunde mussten wir lediglich eine Kopie eines Briefes bekommen, der nach Lahore hätte geschickt werden sollen, und trotzdem dauerte das mehrere Stunden. In den Warteräumen und Büros war einiges zu beobachten: Da wurden Plastiktüten mit kleinen Aufmerksamkeiten über die großen, alten Schreibtische aus billigem Furnier gereicht und um Wartezeit zu sparen, musste man den Beamten geschickt draußen abpassen, ihn in einen kurzen Plausch verwickeln und schon war man der erste in der Reihe. Pünktlich zur Arbeit kam von den höheren Beamten sowieso keiner und so warteten wir gemeinsam mit britischen Bankern, Frauen in Burqa, französischen Weltenbummlern und vielen afghanischen Flüchtlingen lange Zeit mit Blick auf die großen schwarzen Sessel, auf die sich dann für einige Minuten ein dicker Mann mit sauberem Scheitel setzen würde.

Nach zwei Vormittagen im Innenministerium konnten wir noch ein wenig die Stadt genießen, den idyllischen Rawal-Lake am Rande der Stadt besuchen. auch in Pakistan gibt es Spielplätze

Wir kamen auf unseren Wegen auch am Marriot-Hotel vorbei, dessen Betrieb einige Tage zuvor wieder begonnen hatte, was mir unglaublich vorkam, dann aber durch einen weißen Wagen bewiesen wurde, der direkt vor dem Eingang hielt und einen wichtig aussehenden Mann im Anzug aussteigen ließ. Eine weitere, aus den Nachrichten wohl einigen bekannte Sehenswürdigkeit war die Rote Moschee, die jetzt bis auf einige Farbkleckse beige ist.

die Rote Moschee von Islamabad

Nach einem kurzen Besuch im Passport-Office Lahore heute und einer Nacht im Roshni-Zuhause geht es morgen dann schon wieder nach Islamabad, um dann hoffentlich endlich das indische Visum für unser bald stattfindendes Zwischenseminar in Kalkutta zu bekommen. Das ganze hat sich wirklich zu einer Art schwierigem, frustrierendem, aber auch aufregendem Abenteuer entwickelt.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

zum zweiten mal Eid

Der morgentliche, heute besonders lange andauernde Gesang des Azan ist verklungen, das große Mittagessen verspeist und bald machen wir uns aus den Weg, um Anums Familie zu besuchen. Heute ist der Beginn des zweiten Eid-Festes. Bakre-Eid, oder auch Ziegen-Eid heißt es aus dem einfachen Grund, dass jede Familie ein Tier, meistens eine Ziege opfert. Dies geschieht zur Erinnerung an Abraham, der zuerst seinen Sohn, letztendlich aber doch ein Schaf opfern sollte und so fordert nun der Koran alle auf, ein Tier zu opfern, das einem wichtig und lieb ist. Letzteres findet meist nicht besonders große Beachtung, denn die meisten Menschen hier in Lahore kaufen sich kurz vor Eid eine Ziege, oder wer mehr Geld hat eine Kuh, oder gar ein Kamel, eigens zu dem Zweck, sie zu schlachten. Als ich Sonntag durch die Stadt fuhr sah ich, wie tausende Tiere die Straßenränder füllten, bereit zum Verkauf. Geschmückt mit Plastikblumengirlanden und Punkten aus Henna oder gar neonpinker Sprühfarbe im Fell. Richtige Märkte bildeten sich dort in den vergangenen Tagen.
Nach dem gut zwei Tage beanspruchenden Hausputz sind auch wir bereit, morgen ein Schlachtfest zu veranstalten, zu dem Verwandte von Shahida Hannesen kommen werden. Innerlich bin ich allerdings noch lange nicht bereit. Ich kann nicht im geringsten verstehen, wie sich so viele Menschen, sogar kleine Kinder, riesig darauf freuen können.
Ein schöner Teil der Tradition ist, dass das Fleisch, das das Tier hergibt, in drei gleichgroße Teile aufgeteilt wird, von denen einer an Verwandte und Nachbarn geht, der zweite an die Armen, die dann teilweise von Tür zu Tür gehen und um Fleisch bitten, und schließlich das letzte Drittel ist für die eigene Familie.

Sonntag, 7. Dezember 2008

So, wie im vorherigen Text beschrieben, verlaufen aber bei weitem nicht alle Tage. In der vergangenen Zeit gab es scheinbar besonders viele zusätzliche Aktivitäten und Projekte, die jeweils mit verschiedenen Aufgaben verbunden waren. In der Schule hatten wir eine Eltern-Informationsveranstaltung und eine Monatsfeier, die sich letztendlich zu einem Tag der offenen Tür entwickelte, mit viel Programm und reichlich Vorbereitungsaufwand. Ich habe mit der dritten Klasse einen schönen englischen Reigentanz vorgeführt und mit meiner zweiten Klasse das erste Kinderharfenkonzert Pakistans gegeben. Die Kinder haben immer noch viel Spaß an den kleinen Instrumenten und so war es – abgesehen von der nicht ausreichenden Lautstärke – ein bezaubernder Auftritt.

In unserer Roshni-Oase gab es mehrere Besuche von Schul- oder Collegeklassen, Der Advent ist auch hier eingezogen, für den wir sogar einen Adventskranz und einen Gemeinschafts-Adventskalender vorbereitet haben, was eine schöne Bereicherung ist, trotzdem aber nicht richtig dabei hilft, Weihnachtsstimmung zu erzeugen... Draußen ist es sommerlich warm , die Ziegen bekommen immer weiter Kleine und wir ernten jetzt Frischen Salat, Rettich, Blattspinat und Auberginen aus dem Garten, um den sich Saskia und Rasmus gemeinsam mit drei pakistanischen Gärtnern noch immer mit so viel Engagement kümmern.

Kürzlich war ich außerdem mit Mister Rehas, dem „Musiklehrer“ unserer Schule und Sumati bei einer kirchlichen Veranstaltung, auf der wir schwuppdiwupp vor etwa 500 Menschen auf der Bühne standen, die ganz begeistert davon waren, wie wir Herrn Rehas auf dem Tamburin begleiteten. Danach wurden wir herumgefahren, damit uns unser Begleiter all seinen Freunden vorstellen konnte... meistens finde ich es hauptsächlich lustig, anderen Menschen nur mit meiner Hautfarbe solch eine Freude bereiten zu können und eher selten ist es mir unangenehm.

Meinen Geburtstag habe ich auch in Pakistan genießen können. Ich danke allen, die an mich gedacht haben, ganz herzlich. Es war wunderbar so viel Post zu bekommen...unser Fahrer, der immer die Post vorbeibringt denkt jetzt, ich sei eine Berühmtheit in Deutschland. Wir haben mit der ganzen Gemeinschaft gemeinsam Chai getrunken und Apfelkuchen gegessen und abends sind wir zu elft nach einen riesigen Essen zu einem Musikfestival in Lahore gefahren, das zu der Zeit für zehn Tage stattfand.

Mit dem Urdu-Lernen geht es langsam, aber sicher voran... Neben den alltäglichen Lehreinheiten, die sowieso von ganz allein stattfinden, schaffe ich es einigermaßen regelmäßig,mich abends mit Anum für eine Weile hizusetzen um im Tandemprinzip mit ihr Deutsch beziehungsweise Urdu zu lernen.

Soviel für heute. Es sind jetzt wieder eine Woche lang Eid-Ferien, die ich größtenteils in Roshni verbringen werde- vielleicht komme ich dann ja noch einmal zum Schreiben.

Montag, 10. November 2008

Was mache ich eigentlich?

Da mich Umairs (einer der Betreuten) Rufe, die durchs Haus dringen wach halten, nutze ich die Gelegenheit, einmal zu berichten, wie man sich meinen Tabesablauf vorstellen kann:
das Haus unserer Wohngruppe und der Familie Hannesen

Mein Wecker klingelt um sieben, kurz darauf stehe ich auf, dusche (seit kurzem weiß ich, dass nach ein bis zwei Minuten auch warmes Wasser kommt...zum Glück!) und bereite mit Shafique, einem Betreuten und Petra gemeinsam das Frühstück für die ganze Lebensgemeinschaft vor. Das Frühstück besteht aus geröstetem Brot aus unserer Biobäckerei, selbstgemachter Apfelmarmelade, gelegentlich Gemüse vom Vortag und natürlich leckerem Chai.
beim Frühstück

Das Frühstück beginnt um acht - soll es zumindest - begonnen mit einem Gebet und "Bismillah i rachman i rahim"
und etwa zwanzig Minuten später steigen Petra und ich, mit Schultaschen bepackt in den Bus, der uns über aus Schlaglöchern bestehende Straße durchs Dorf in die Green Earth Roshni School bringt. Dort gebe ich abhängig vom Stundenplan des Tages Englisch- und oder Kinderharfenunterricht, schmiere Pausenbrote für die unteren drei Klassen, spiele im Kindergarten mit oder helfe beim Handarbeitsunterricht.

Die Schule endet um halb zwei, dann fahren wir alle, das heißt neun Lehrerinnen, zwei Kinder und ein Fahrer, zurück nach Roshni, wo wir mit allen Betreuten, die dort tagsüber arbeiten und natürlich den Betreuern in der Caféteria ein Mittagessen aufgetischt bekommen. Da gibt es meistens eine Art von Dahl, Curry mit Pakora oder Sabzi/Gemüse, wieder mit übriggebliebenem Brot aus unserer Bäckerei. Das gemeinsame Essen ist meistens lebhaft und witzig. Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, brauche ich danach eigentlich imm er eine Pause.
Von halb drei bis kurz vor vier habe ich dann "Zeit für mich", die ich meistens mit den anderen Freiwilligen auf unserem Dach verbringe.
Weiter geht es um vier: dann mache ich, wieder gemeinsam mit Shafique, Chai und eine Kleinigkeit zu Essen für unsere gemeinsame Chai-Time, die - mal drinnen, mal draußen, mal kurz und schmerzlos, mal lang und gesprächserfüllt - eigentlich immer ein schöner Ruhepunkt im Tagesablauf ist.

Den Nachmittag verbringen wir sehr unterschiedlich. Häufig machen wir kleine Spaziergänge mit den Betreuten, manchmal machen wir zusammen Musik, malen, reden, machen Gartenarbeit oder Marmelade und gelegentlich nutzen einige von uns die Zeit auch für Ausflüge, etwa nach Lahore oder ins Dorf. Bis zum Abendessen, beziehungsweise rechtzeitig zum Vorbereiten müssen wir aber wieder zurück in Roshni sein. Das ist dann gegen halb sieben, so dass wir um sieben oder halb acht wieder alle Bewohner des Gruppenhauses um den großen Tisch versammelnn und ein Abendessen mit frischen Rotis, meistens eine Art von Dahl, Curry mit Pakora oder Sabzi/Gemüse, auch wieder mit übriggebliebenem Brot aus unserer Bäckerei anbieten können.
Das Abendessen wird auch mit einem Gebet und "Bismillah i rachman i rahim" eingeleitet und endet mit "Allhamdolelah", das im Chor gesprochen wird und "Gott sei Dank" bedeutet. Nach dem Abräumen machen wir einen Abendkreis (ein paar Lieder und ein Gebet), der den Tag abschließt und die Betreuten aufs Schlafengehen vorbereiten soll. Danach wartet jedoch für einen Betreuten und einen von uns Mitarbeitern der meist gigantische Abwasch, der gut und gerne eine Stunde in Anspruch nimmt. Währenddessen decke ich mit Gohar, einem lustigen und unglaublich unkonzentrierten Gesellen den Tisch fürs Frühstück. Bei jeder Bewegung muss ich danebenstehen!
Für den freien Feierabend geht es oft wieder aufs Dach, häufig mit Instant-Kaffee, manchmal aber auch vor den Fernseher für einen Filmabend, für eine gewisse Zeit an die Vorbereitungen für den kommenden Schultag und wenn es ganz schlimm kommt, sogar gleich ins Bett.
Jeder Tag verfliegt... Vielleicht vergehen pakistanische Stunden schneller als deutsche?!

Ein Besuch im SOS Kinderdorf Lahore

Gestern, an meinem freien Sonntag (ja, ausnahmsweise..) besuchte ich mit Waqas, seiner Familie, Rasmus und Petra das SOS Kinderdorf in Lahore. Wir wussten zuvor nicht, wo Waqas uns hinführen würde und noch viel weniger wussten wir, dass er selbst dort aufgewachsen ist. Der Ort jedenfalls hat einen großen Eindruck bei mir hinterlassen: Knapp zwanzig Häuser mit je drei Zimmern, zwei Bädern und einer Küche sowie einem kleinen Stück Rasen beherbergen jeweils etwa fünf Jungen und fünf Mädchen. Außerdem lebt in jedem Haus eine "Mutter", die allein für die Gruppe verantwortlich ist. Jedenfalls scheint das Konzept ganz hervorragend zu funktionieren, denn die Kinder und Jugendlichen, die ich dort traf machten keineswegs den Eindruck, als seien sie hilflose Waisenkinder, sondern selbstständige und vor allem selbstbewusste junge Menschen. Obwohl alles so schlicht ist und an vielen materiellen Dingen gespart werden muss, ermöglicht die klare Struktur (genaues Haushaltsbudget für die Gruppen, nur ein Besuchstag in der Woche) scheinbar ein schönes Zusammenleben trotz der schweren Situation. In der Mitte der oval angeordneten Häuser ist eie große Rasenfläche mit vielen Spielgeräten und Platz für Fußball. Außerdem wird dort im SOS Village großer Wert auf die Ausbildung der Kinder gelegt: jedem Kind wird der Schulbesuch, häufig sogar eines Colleges ermöglicht und bis zur Hochzeit werden sie nach Möglichkeit versorgt.
Noch nie habe ich in Pakistan Jungen und Mädchen so schön zusammen spielen sehen und auch selten habe ich Frauen so ausgelassen lachen hören, wie an diesem Ort.

drei Mädchen aus Haus 13



Samstag, 1. November 2008

Einmal mehr verfliegt die Zeit: Es gibt so vieles, wovon ich berichten möchte und so wenige Momente, in denen ich tatsächlich zur Ruhe komme um meine Erfahrungen aufzuschreiben.

Diese Woche war zum Beispiel die Reisernte bei uns in Roshni... Gemeinsam mit den behinderten Menschen, die in den Werkstätten hier arbeiten und den Schülern unserer Schule feierten wir vergangenen Dienstag ein herrliches Erntedankfest, bei dem jeder mithalf, den Reis mit kleinen Handsicheln in Bündeln abzuschneiden. Trommelmusik und ausgelassene Tänze, sowie leckere Rotis aus dem Tandoor (Lehmofen) gab es auch, so dass wir einen schönen Tag in der Gemeinschaft verbringen konnten.

drei Mädchen aus der zweiten Klasse

Parveen, Majeed und Waqas beim Rotis backen... bohot masedahd!

Wie der Kreislauf des Lebens eben so geht, konnten wir in den vergangenen Tagen sehr direkt miterleben. Kurz nachdem eine unserer Ziegen gestorben war, kam mir eines morgens auf dem Weg zur Schule ein kleines staksiges Zicklein entgegengewackelt, das kurz zuvor geboren worden war. Tags darauf gesellten sich drei weitere Kleine zu ihm... So ging es weiter, so dass wir jetzt einen Kindergarten mit sechs kleinen Ziegenkindern auf dem Hof haben, die uns alle wunderbar erheitern.
Freitag abends stand einmal wieder eine Hochzeit (von Farooq, Anums Onkel) auf dem Programm - genauer: die Mendhinight, die immer den ersten der drei Tage füllt. Die Familie der Braut lädt dafür die Familie des Bräutigams ein (normalerweise sind das dann mindestens 300 Menschen) und eigentlich geht es ja, wie schon unten beschrieben, darum, sich mit Hennatatoos zu dekorieren, doch das ging unter all den anderen Eindrücken völlig unter. Wir versammelten uns mit Farooqs Verwandtschaft im Haus einer Tante und fuhren in Vans gestapelt gemeinsam in einen anderen Teil der Stadt, wo uns ein herrlich dekoriertes, gigantisches Zelt erwartete, das wir in einem langen Zug, Kerzen tragend betraten. Die Frauen tragen bei Hochzeiten hier meist noch buntere Kleider als gewöhnlich, so dass aus dem Mix aus unzähligen Blumenketten, Lichtern und Stoffen ein richtiges Farbenfest wurde, untermalt von Trommelmusik, Gesang und leckerem Essen. Ein langer Abend.Wenngleich der Herbst langsam hereinbricht, ich morgens manchmal sogar schon eine Strickjacke trage, ist das Wetter hier tagsüber noch immer traumhaft. Man zerläuft nicht mehr bei jeder Bewegung und wer robust ist, kann noch immer auf dem Dach schlafen.

Samstag, 18. Oktober 2008

ein erlebnisreiches Wochenende

Es begann im Grunde Donnerstag Abend, als wir (wegen Stromausfall wie so oft in der letzten Zeit mal wieder im Dunkeln) beim Essen saßen eröffnete uns Zahid, einer der pakistanischen Mitarbeiter hier, die Frauen (Bajis) seien auf die Hennanacht im Nachbardorf eingeladen. Die Cousine unseres Gärtners heirate nämlich Freitag und am Tag zuvor trifft sich traditionell die Verwandtschaft der Braut um sich psychisch und auch physisch in Form von Hennatatoos (Mendhi) auf die bevorstehende Feier einzustimmen. Spontan wie alles hier in Pakistan wurden wir Bajis zusammen mit Arian und Zahid dann im Anhänger eines Traktors zur Feier gekarrt, zunächst in einen Raum verfrachtet, in dem sich die Mädchen mit einem ihrer Outfits (für jeden der Hochzeitstage ein anderes!) herausputzten, so dass wir uns in unseren normalen Schalwar-Kamis fast schäbig vorkamen. Das war allerdings sofort vergessen, als wir an jeder hand von jemand anderem in den Hof gebracht wurden, wo kleine schlafende Babies, Ziegen, Omas, Onkel, aufgetakelte Frauen, Bedienstete und Büffelkühe gemeinsam feierten, aßen und sich gegenseitig mit Henna aus spitzen Tüten bemalten. Nach einer Weile Smalltalk auf Urdu – ja, ein bisschen klappt es schon – mit etwa tausend Menschen, die alle irgendwie verwandt sind, durfte auch ich stillsitzen und wurde von einer Frau wunderschön dekoriert, die daraufhin meine beste Freundin sein wollte und gerne mal mit mir nach Deutschland kommen möchte... nicht nur in diesem Punkt haben manche Pakistaner wirklich ein seltsames Bild vom Westen.Reis, Chai, einen wilden Tanz und ein paar weitere Runden Smalltalk später rumpelten wir im Anhänger wieder über die Schotterpiste in die heimischen Roshni-Gefilde.

Freitag Vormittag muss ich nicht in die Schule und konnte deshalb mit Sumati und Rasmus in die Stadt fahren, wo diesmal der Naan-Verkäufer unser Freund sein wollte, damit er mit uns nach Deutschland kommen könne, um dort zu arbeiten. Defence, der Stadtteil in dem wir uns aufhielten ist noch nicht alt, sehr modern und sauber für die Verhältnisse hier, die Zahl der Bettler ist sehr niedrig und wir werden trotz unserer Hautfarbe kaum angestarrt. Insgesamt hat er eher weniger Charme, ist praktisch für Einkäufe, die erledigt werden müssen. Es gibt kaum Stände, sondern nur feste Geschäfte, wie Stoffläden, Supermärkte oder DVD-Shops, wo man gebrannte Filme für etwa 1€ erwerben kann, immerhin eine Farbkopie der Hülle inklusive.

Kaum zurück in Roshni ging es wieder weiter zur Hochzeit, wo wir drei jedoch zu spät für die Zeremonie ankamen, trotzdem aber wieder von einer Verwandten zur nächsten geschoben wurden, um „Assalamu a leikum“ zu sagen, die Hand zu schütteln und am besten noch ein Photo zu schießen. Bald wurden wir in einen anderen Hof gebracht, wo trotz der fortgeschrittenen Zeit Berge von Essen (süßer sowie würziger Reis, Joghurtsoße, Fleisch und Naan) auf uns warteten. Wie die etwa 300 Menschen, die sich mit uns dort befanden bekamen wir von jeder Speise einen großen Teller voll und typisch pakistanisch aßen alle im Kreis hockend von den gleichen Tellern... mit der Hand versteht sich. Ein wunderbares Erlebnis! Einen schönen Abschluss bildete ein Spaziergang durch das Dorf, mit Zwischenstation bei dem Bruder unseres Gärtners, der sich so geehrt fühlte, uns bei sich zu haben, dass wir kaum wieder loskamen, den Kanal entlang, der uns in grüne Felder und letztendlich an einen breiten und zwar stinkenden aber doch relativ sauberen Fluss führte. Natürlich gelingt es mir kaum, diese rauschenden Eindrücke in Worte zu fassen, doch ich kann sicher sagen, dass ich das Leben hier so bewusst erleben kann, wie selten zuvor, was unglaublich schön und unglaublich lehrreich ist.

Meinen heutigen freien Samstag verbrachte ich mit Arian und Sumati in der Altstadt Lahores.

im Van mit Sumati - Arian und alle anderen Männer sitzen hinten

Mit Van und Busnach Anarkali, zum national College of Arts, über diesen und jenen Bazar, durch die kleinsten, dreckigsten, buntesten und wahrscheinlich bezauberndsten Straßen, die ich jemals gesehen habe... Es war wundebar, sich so frei bewegen zu können und die Stadt so sehr zu genießen.

mit Arian in der Rikscha

Die vielen Wege, die wir zu Fuß, in der Riksha oder im Bus zurücklegten allein waren schon sannend genug. Zum Beispiel sah ich, wie ein Mann noch auf dem Motorrad sitzend durch Klopfzeichen auf dem Busdach seinen Umsteigewunsch ankündigte. Daraufhin wurde der Bus etwas langsamer und der neue Fahrgast springt auf. Eine unbeschreibliche Dynamik! Am späten Nachmittag kehrten wir gemeinsam bei unserem Bäckerfreund Waqas ein, der uns köstlich bekochte und zum Schluss auf seinem Motorad nach Roshni brachte. Eine wilde Fahrt mit viel Spaß. Trotz der vielen Erlebnisse bin ich kein bisschen müde, werde Sumati jetzt auf dem Dach Gesellschaft leisten und weiter den vergangenen Tag bewundern.


Donnerstag, 16. Oktober 2008

Post-Adresse

Für alle, die mir gerne ein Paket Schokolade schicken möchten möchten, sich aber noch nicht getraut haben, mich nach meiner Adresse hier zu fragen:

(Eva Busch)
Roshni Association

P.O.Box 11073
Lahore
Pakistan

Ich freue mich natürlich auch über Briefe ohne Schokolade

Im Morgengrauen auf unserem Dach

es geht weiter

... einen - für mich - sehr wichtigen Schritt: Vor zwei Wochen habe ich mit dem Kinderharfenunterricht angefangen. In der Schule wurde bisher nur Musikunterricht mit Flöten für die höheren Klassen angeboten, so dass die Harfen eine wunderbare Bereicherung für die musikalische Erziehung der Kinder der Green Earth Roshni School bietet. Ich unterrichte die 1. und 2. Klasse, jeweils mit der Klassenlehrerin zum übersetzen, was unterschiedlich gut klappt. Die Kinder der 2. Klasse sind hell auf begeistert, fragen ständig, wann sie denn wieder dran seien und machen gespannt mit.. Im Unterricht entsteht so eine ganz herrlich bezaubernde Stimmung. Bei den Erstklässlern ist es dagegen etwas problematischer, da sie so unglaublich unruhig sind und kaum eine Minute still sitzen können. Ich bin mir noch nicht sicher, welchen Schluss ich daraus ziehen soll... Einerseits wirkt das Spielen natürlich beruhigend, wäre also eine gute Möglichkeit, den Kindern zu helfen, zur Ruhe zu kommen, auf der anderen Seite ist es so, wie es jetzt ist, eher unwahrscheinlich, dass dieses Ziel wirklich erreicht wird. Ich denke darüber nach, ob Einzelsitzungen mit den Kindern nicht am sinnvollsten wären.
Der Englischunterricht in der dritten Klasse hat sich inzwischen gut eingespielt und ich habe das Gefühl, die Kinder lernen - größtenteils zumindest - recht schnell. Das motiviert mich natürlich sehr... denn viel Arbeit ist die Schul-Vorbereitung schon immer.

Schüler und Lehrerinnen beim Morgenkreis...

Samstag, 27. September 2008

eine lange Nacht

Es ist spät in der Nacht... rund umher hört man Männer beten. Heute ist der 27. Tag des Ramadan, der besonders wichtig ist, weil heute vor vielen hundert Jahren der Koran vollendet wurde. Deshalb sind die meisten Männer heute Nacht sehr lange, viele sogar bis zum nächsten Morgen in der Moschee. Wir Daheimgebliebenen haben uns einen Filmabend gegönnt.

Mit dem Ende des Ramadan rückt auch das Eid-Fest immer näher: drei Tage lang essen und Familienbesuchein feinen Kleidern, mit Henna Dekoration auf den Händen und natürlich "Bangles", den wunderbar kitschigen Glitzerarmreifen, die jetzt zu jeder Gelegenheit an Mädchen verschenkt werden. Wie es momentan in der Stadt zugeht, durfte ich gestern Abend mal wieder erleben, als auch wir uns aufgemacht haben, um neue Schalwar-Kamis zu kaufen: Die Läden waren doppelt so voll wie gewohnt, überall noch mehr Glitzer und Glimmer, die Atmosphähre noch unruhiger - und trotzdem schaffen es die Männer, jeden einzigen Körperkontakt mit Frauen, etwa in Form eines Zusammenrempelns oder Ähnlichem, zu vermeiden.. unglaublich
Außerdem bedeutet das Herannahen des Eid-Festes, dass wir seit diesem Wochenende Ferien haben. Die meisten der Betreuten sind seit Donnerstag für zehn Tage bei ihren Familien und auch in der Schule findet kommende Woche außer Lehrerfortbildungen für uns keine Unterricht statt. Deshalb findet hier momentan eher ein entspanntes WG-Leben mit täglichen Pflichten statt, als harte Arbeit.. Auch mal schön.

Vor zwei Tagen war ich mit Rasmus, Arian, Farooq, Zeshon und Mansoor in dem Dorf Hehr, das wenige Riksha-Minuten von Roshni entfernt liegt. Eigentlich wollten wir nur Obst einkaufen gehen, aber allein dieser Ausflug war wieder so voll von neuen, bunten, teilweise unbegreifbaren Eindrücken... stinkende Kanäle, voll von Plastiktüten, bettelnde oder vielleicht auch einfach nur neugierige Kinder, die vom Ladenbesitzer von uns weggeprügelt werden, die Einzelteile geschlachteter Rinder, wunderschöne traditionelle Handarbeit, drei Jungs, die uns alle unbedingt zum Aftari -Fastenbrechen einladen möchten, das Kilo Tr
auben für etwa 30 Cent, halb gerupfte, halb lebendige Hühner zum Verkauf in Käfigen, überall gibt es frittierte Teigtaschen, Pakoras, Süßigkeiten für das abendliche Fastenbrechen zu kaufen, jetzt isst und trinkt natürlich niemand in der Öffentlichkeit..

Ich bin froh, die Ramadanzeit miterlebt zu haben, besonders die gemeinsamen Aftaris sind sehr schön - trotzdem kann auch gerne bald wieder der normale Tagesrhythmus beginnen.





Sonntag, 21. September 2008

kurze Diashow

So viel ist passiert, seit ich das letzte mal geschrieben habe... Die Zeit fliegt dahin. Einige Bilder mit kurzen Erklärungen:

Drei Tage die Woche bin ich jetzt Englischlehrerin. Meistens macht es mir großen Spaß.. Glücklicherweise bin ich ja an einer Waldorfschule, weshalb niemand etwas dagegen hat, dass ich viel mit den Kindern singe und spiele.. Problematisch ist es allerdings, wenn die Klassenlehrerin nicht mit im Klassenraum sitzt. Vielleicht beschönige ich die Realität in meiner Erinnerung, aber die Kinder kommen mir doch weitaus lebhafter vor, als ich das gewohnt bin. Meine immer noch nicht ganz ausgereiften Urdu-Kenntnisse machen das ganze natürlich nicht leichter, denn es ist mir so fast unmöglich, die Streits der Kinder gerecht zu schlichten, was häufig nötig wäre. Aber wie gesagt, grundsätzlich halte ich gerne Unterricht, denn die Lebhaftigkeit der Kinder ist ja nicht nur negativ.

Wir waren ab und zu in der Stadt, auf dem Basar, im College of Arts Lahore, in unzähligen Stoffgeschäften, Lebensmittel und vor allem Obst kaufen.

Ramadan hat begonnen, was einen neuen Tagesablauf mit sich bringt. Es gibt jetzt immer bei Sonnenuntergang Aftari, eine Dattel und ein kleines Essen und nach dem Moscheegang der Männer gibt es erst das normale Essen. Für alle, die fasten, gibt es morgens, gegen vier, ein sehr fettiges Frühstück, nach dem man sich aber wieder hinlegt. Ja, und tagsüber gibt es nur Essen und Trinken für die schwächeren Betreuten und die gottlosen Mitarbeiter. Zu denen zähle ich auch.. Weil noch alles so neu war und ich nicht gleich am Anfang meines Lehrerjobs den ganzen Tag müde und geschafft sein wollte, habe ich mich dagegen entschieden, mitzumachen.. Vielleicht in der letzten Ramadan-Woche.

Mit meinem Bäcker-Freund Wakas habe ich schon zahlreiche Gemüsekuchen fürs Aftari gebacken...

Pakistan hat einen neuen Präsidenten. Zardari ist sehr unbeliebt hier, ich habe noch keinen Befürworter getroffen, im Gegenteil befürchten viele, dass es weiter bergab gehen wird mit der Politik Pakistans. Wenn Politik überhaupt mal das Thema eines Gespräches ist, geht es darum, dass man der Regierung nicht trauen könne, die Amerikaner daran schuld seien, dass es so schlecht um das Land steht, weil sie Pakistan klein halten wollen. Ein wirklich großes Problem hier ist die extreme Inflation, die die Preise im vergangenen Jahr für die Grundnahrungsmittel in Pakistan nicht selten verdoppelt hat. Das schafft natürlich große Unzufriedenheit, in den ärmeren Teilen der Bevölkerung schlichtweg Hunger. In unserer Schule, die ja größtenteils von armen Kindern besucht wird, haben wir angefangen, in der Pause Brotscheiben zu verteilen.

Trotzdem geht es mir weiterhin gut in Roshni. Ich bin sehr gerne hier und genieße es, immer und überall Neues entdecken und erleben zu können.

Freitag, 29. August 2008

Ich komme langsam an...

Ich habe es geschafft, meinen Laptop mit dem Telefonkabel-Internet zu verbinden.. schön! Physisch bin ich ja inzwischen seit fünf Tagen in Lahore angekommen, ansonsten natürlich noch nicht ganz...Mein Wasser koche ich inzwischen allerding schon nicht mehr ab. Tab-Water und bisher keine Magenprobleme... Das Leben hier in Roshni macht auf mich zur Zeit einen sehr harmonischen Eindruck.. ich fühle mich wohl und bin gespannt, wie sich alles entwickelt, wenn es zum Alltag wird.
Komplett sind die Strukturen und Aufgaben zwischen uns Freiwilligen/Betreuern (5,5 Deutsche, 0,5 Afghaner, 2 Pakistaner) noch nicht aufgeteilt. Bisher stand größtenteils Feldabeit, Belustigung der Betreuten, Hospitation in den Workshops, lecker, lecker Essen, Stoffe kaufen in der Stadt,... an. Heute war ich außerdem in der Schule, habe die Lehrerinnen kennengelernt und werde wohl ab kommender Woche 2-3 Tage dort verbringen und die Kinder ein bisschen kennenlernen. Auf die Arbeit freue ich mich schon. Außer mir wird noch Patra, eine deutsche Waldorflehrerin für eine Weile mithelfen. In wenigen Wochen werde ich dann auch mit dem Kinderharfenunterricht beginnen. Zwar bestehen meine Urdu-Kenntnisse noch immer aus Bruchteilen, aber ich werde immer eine Lehrerin zum Übersetzen an meiner Seite haben. Das mit dem Urdu ist momentan noch das größte Problem, aber ich gebe mir Mühe und versuche, mir möglichst viele Wörter sagen zu lassen... gelegentlich kann ich sie mir auch merken.
Hier meine Eindrücke vom ersten Abend im Zeitraffer: Abschied am Flughafen Frankfurt...im Flugzeug gleich Zenie aus Lahore kennengelernt, die mich gerne zu sich einladen möchte. In der Süddeutschen lese ich über einen potenziellen Präsidentschaftskandidaten für Pakistan- scheint noch ganz weit weg... Einreise problemlos, es gibt extra einen Schalter für Frauen - bei der Gepäckkontrolle ist mein Pass nicht auffindbar- Hektik- ach, da ist er! Ich habe auf dem Vorbereitungsseminar gehört, dass ich Männern nicht direkt in die Augen schauen soll-generell gibt es wenig Blickkontakt. Wir verlassen die Flughafenhalle, scheinen eine Sauna mit Aufguss zu betreten – extrem schwüle Hitze. Helmut, Helen und Rasmus von Roshni holen uns ab. Helen ist schon fast ein ganzes Jahr hier. „This way, this way!“, ein hilfsbereiter Pakistani nimmt mir fast das Gepäck ab, um mich zu seinem Taxi zu bringen – lieber zu unserem Kleinbus! Es folgt eine Fahrt durch etwas, das zunächst eine Filmkulisse zu sein scheint, sich dann aber als meine zukünftige Heimat auf Zeit herausstellt.. Lahore bei Nacht. Unzählige Männer in weißen Gewändern. Wir fahren an einem riesigen Zelt aus weißem Stoff vorbei,das über und über mit Lichterketten behängt ist – meine erste pakistanische Hochzeit! Vorbei an halb fertiggestellten, halb zerfallenen Gebäuden, über holprige Schotterpisten, die die Hauptstraße darstellen sollen. Ankunft im Roshni-Dorf. Shahida Perveen-Hannesen ist sehr höflich, freundlich...endlich gibt es Wasser! Natürlich abgefüllt und nicht aus dem Wasserhahn. Zimmerverteilung: Saskia und ich schlafen zusammen. Gott sei Dank! Es gibt fast überall Ventilatoren. Stromausfall. Licht geht wieder an, wieder aus. „das ist normal hier.. mindestens alle halbe Stunde.“ Duschen ist auch nicht mehr möglich-nach etwas Dreckbrühe kommt gar nichts mehr aus dem Wasserhahn – es gibt Schlimmeres! Wir setzen uns aufs Dach, reden, „ich nicht sprechen Urdu... leider!“ Ein Schuss! Ach, das war nur der Wachmann der Nachbarn, der sich behaupten will, wie Helen mir später erklärt. Dunst und Staub machen es unmöglich, weit in die Nacht zu schauen. In Deutschland ist es jetzt neun, hier schon zwei. Zeit, schlafen zu gehen.. mit Eidechse im Zimmer. Morgen aussschlafen? Ich bin viel zu gespannt, was mich erwartet!

Samstag, 23. August 2008

Roshni-Selbstdarstellung

Das Projekt, in dem ich die kommenden zwölf Monate verbringen werde, heißt Roshni ("Licht" auf der Landessprache Urdu) und da ich selbst noch nicht viel mehr darüber erzählen kann, ist hier eine Selbstdarstellung:

Ein west-östliches Gemeinschaftsprojekt in Lahore/Pakistan

Im Roshni Dorf, am Stadtrand von Lahore, arbeiten und leben Behinderte und nicht behinderte Menschen zusammen. Täglich kommen etwa 40 Menschen mit Behinderungen in das Tageszentrum von Roshni und arbeiten in drei verschiedenen Werkstätten. Weitere sechs Menschen leben gemeinsam in einem ersten Gruppenhaus. In einer kleinen Dorfschule lernen 55 Kinder im Kindergar ten und in den Klassen 1 - 5. Wir möchten die Begegnung zwischen Kulturen des Orients und Okzidents mit einer würdigen Lebensperspektive für Menschen mit Behinderungen verbinden.

Die Region

Lahore liegt in der Region Punjab, dem Land der fünf Flüsse. In dieser Landschaft blühte in der Zeit der alten Hochkulturen etwa gleichzeitig mit Ägypten und Mesopotamien die Indus-Kultur. Die islamische Kultur fand ihren Höhepunkt in der Her rschaft der Moghulkönige im 16. bis 18. Jahrhundert mit einem grossen Reichtum an Bauwerken, die vielfach noch erhalten sind. Durch ihre grosszügige und weisheitsvolle Herr schaft gelang ihnen ein Zusammenleben in religiöser Toleranz mit Hindus, Christen, Parsen und Muslimen. Delhi, Agra und Lahore w aren ihre Hauptzentren. Im Zuge der Unabhängigkeit von England wurde Indien 1947 geteilt und der neue Staat Pakistan gegründet. Beabsichtigt war, hier eine Heimat für die Moslems in Nordindien zu schaffen, die sich von der Hindu-Mehrheit vielfach benachteiligt fühlten. Lahore liegt dicht an der Grenze zu Indien und ist heute eine Millionenstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten und grossen alten Bazaren, einem vielfältigen Kulturleben, aber auch den üblichen Problemen moderner Großstädte.

Green Earth Roshni School

In der Umgebung von Roshni besuchen viele Dorfkinder weder einen Kindergar ten noch eine Schule. Erziehung und Schule sind zentrale Probleme von Pakistan. Die Methoden und die Didaktik sind sehr autoritär geprägt, die Klassen sind zu voll. Auf diesem Gebiet kann die Waldorfpädagogik wichtige Impulse geben. Unser Ziel ist die Erziehung zur Selbstständigkeit und zu umfassend gebildeten Persönlichkeiten.

Erzieher und Lehrerbildung

Um unser Ziel der Erziehung zur Selbstständigkeit und die Verbesserung von Lern- und Lehrmethoden zu er reichen, müssen Erzieher/innen und Lehrer/innen entsprechend ausgebildet werden. Für den Beginn des Kindergar tens hat dankenswerter Weise eine deutsche Waldorfkindergärtnerin ihr Freijahr eingesetzt und in Lahore verbracht. Weitere Hilfe von erfahrenen Lehrern ist willkommen. Gegenwärtig besuchen ca. 55 Kinder den Kindergar ten und die Schule.

Zukunft

Wir möchten die Lebensgemeinschaft auf insgesamt drei Häuser erweitern und eine kleine Ausbildungsstätte für Mitarbeiter aufbauen. Die Werkstätten sollen weiter entwickelt werden. Hier ist wiederum Hilfe willkommen, insbesondere in unserer Bäckerei. Auch den bio-dynamischen Gar tenbau und die Landwirtsc haft wollen wir intensiver ausbauen. Biologische Landwir tschaft ist in Pakistan noch wenig verbreitet und es ist dringend erforderlich, dass auf diesem Ge biet ein Modell geschaffen wird. Wir freuen uns sehr über Interessier te, die uns bei diesem Bemühen tätig oder finanziell unterstützen könnten. Erwachsene Menschen mit Behinderungen haben in unserem Tagungszentrum und den Werkstätten die Möglichkeit, selbstständig tätig zu werden, Freunde zu finden, etwas zu lernen. Bei Roshni gibt es drei Arbeitsbereiche: die Biobäckerei; die Holz- und die Textilwerkstatt.In der Biobäckerei entsteht nicht nur Brot zur Eigenversorgung, sie sorgt auch für Kontakt zum sozialen Umfeld. In der Holzwerkstatt produzieren wir Spielzeug, Bilderrahmen, Möbel, in der Textilwerkstatt Stofftiere, Einkaufstaschen, Stickarbeiten usw. Wir streben die Verwendung unbehandelter Naturprodukte an.

Unser Garten bietet Möglichkeiten vielfältiger Betätigung. Allerdings ist das Klima manchmal anstrengend. Neben der Arbeit gibt es breiten Raum für kulturelle und künstlerische Aktivitäten, wie für Malen und Plastizieren, für Musik und Theater.

Roshni Lebensgemeinschaft

Im ersten Gemeinschaftshaus der Roshni Lebensgemeinschaft leben Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Die Eltern der betreuten Menschen sind teilweise gestorben oder bereits zu alt. Manchmal sprechen auch andere Gründe gegen einen Verbleib in der Familie. Ein zweites Gemeinschaftshaus ist in Planung.


Mittwoch, 20. August 2008

die letzten Tage in Deutschland

Heute kam ich von meinem zehn-tägigen Weltwärts-Vorbereitungsseminar in Helmarshausen wieder nach hause. Die Zeit war war angenehm, ich habe einige beeindruckende Menschen kennengelernt und zahllose stundenlange Gespräche haben mich, so hoffe ich zumindest, tatsächlich weiter gebracht, so dass ich mich nun ausreichend für das Auslandsjahr vorbereitet fühle. Meine aktuelle Verfassung ist relativ ausgeglichen. Außer mancher Zeitungsnachricht aus Pakistan beunruhigt mich kaum etwas und die Vorfreude, die ich empfinde, ist weniger euphorisch als vielmehr eine gespannte Erwartung.
Vor dem Seminar verbrachte ich drei Tage in Bad Nauheim bei Gabriele, einer sehr lieben ehemaligen Waldorfschul-Musiklehrerin, die nicht unerheblich daran beteiligt war, dass im vergangenen Jahr 40 Kinderharfen nach Lahore in die Roshni-Einrichtung geschifft wurden. Durch meine Vorkenntnisse im Harfenspielen kam die Idee auf, dass ich nun endlich eine Art Kinderharfenunterricht in der ersten und zweiten Klasse anbieten könnte. Deshalb war es sehr wichtig, dass ich einige Einweisungen erhielt und ich glaube, in der Zeit viel gelernt zu haben übers Unterrichten, über Musik, über Fingerspiele, Pentatonik und Geschichten erzählen. Die drei Tage haben mir viel gebracht und an meiner Motivation wird das Vorhaben nun sicher nicht mehr scheitern.
Jetzt bleiben mir noch gut vier Tage hier in Nordhessen, was mir viel zu wenig erscheint, angesichts meiner Besorgungsliste und besonders, wenn mir klar wird, von wem ich mich gerne noch verabschieden möchte.

Dienstag, 29. Juli 2008

Weltwärts-Info

Die Finanzierung meines Freiwilligendienstes ermöglicht mir das großartige Programm "Weltwärts", das hier für alle Interessierten vorgestellt werden soll.

Die Förderung des entwicklungspolitischen Freiwilligendienenstes durch das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit gibt es in dieser Form seit Anfang des Jahres 2008. Weltwärts soll mehreren tausend Freiwilligen im Alter von 18 bis 28 Jahren die Möglichkeit bieten, sich für 6 bis 24 Monate in einem OECD-Entwicklungsland zu engagieren. Durch das Programm erhalten die Stipendiaten Förderung in Form von Vor- und Nachbereitung, aber auch Kostenpunkte, wie Flug, Versicherung und sogar ein monatliches Taschengeld von 100€ werden gedeckt. Übrig bleibt für die Freiwilligen ein Eigenbeteiligungsbetrag von meist 1800€ bei einem einjährigen Dienst, was weit unter den zuvor üblichen Kosten liegt und durch einen Spenderkreis finanziert werden soll.
Die Einsatzbereiche, in denen Freiwillige arbeiten können sollen einen Einblick in die Berufswelt von Entwicklungshelfern bieten und reichen vom Bäume pflanzen auf den Philippinen, der Betreuung von Staßenkindern in Brasilien, Jobvermittlung in Bolivien, Unterrichten in der Türkei bis hin zur Aidspräventionsarbeit in Südafrika. Für die Bewerbung wählt man aus der langen Liste von Entsendeorganisationen (z.B. kirchliche Organisationen, der Deutsche Entwicklungsdienst und viele andere) eine Organisation mit passenden Stellenangeboten aus und bewirbt sich direkt dort. Entscheidende Auswahlkriterien sind Interesse an Kulturen und Lebensverhältnissen in Entwicklungsländern, soziales Engagement und in einigen Fällen auch besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse, wie handwerkliches Geschick, Computerkenntnisse oder Erfahrungen in der Betreuung von Kindern.

„In einer Welt, in der globale Verantwortung und interkulturelle Zusammenarbeit immer wichtiger werden, hat der Dienst in einem Entwicklungsland unschätzbaren Wert: Von und mit anderen zu lernen, benachteiligten Menschen zu helfen und Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung zu übernehmen.“

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)

(Weitere Informationen zu Voraussetzungen, Programmablauf sowie die Liste der Entsendeorganisationen gibt es auf der Weltwärts-Website)