Donnerstag, 2. Juli 2009

Unterwegs

Meine Roshni-Zeit ist vorbei. Die letzten Wochen dort waren noch einmal sehr arbeitsintensiv, wobei meine "Arbeit" groesstenteils sehr angenehmer Natur war. In dem Sommerlager fuer unsere Schulkinder boten wir viele verschiedene Aktivitaeten an und aus meinem Buchbinde-Workshop entwickelte sich ein Grossprojekt, so dass jetzt halb Roshni Buecher binden und Marmorpapier machen kann. Es war schoen, die Menschen so kreativ arbeiten zu sehen. Zu meinen Reise- und Abschiedsvorbereitungen gehoerte auch, dass ich endlich einmal das grosse, festliche deutsche Abendessen veranstaltete, das mir schon lange vorschwebte.
Mit Kartoffelgratin, Tomatensuppe, indischen Saris und Bollywood-Danceparty auf dem Dach war es ein wunderbar festlicher Abend. Viele Menschen in Roshni sind mir sehr ans Herz gewachsen. Der Abschied war ein schoener, sehr herzlicher.

Aber jetzt bin ich unterwegs.
Samstag brach ich auf, nach Amritsar in Indien, wo ich Rasmus, einen anderen Roshni-Freiwilligen traf. Amritsar liegt direkt auf der anderen Seite der Grenze, als Lahore und doch ist vieles anders, als nur 30km weiter westlich. Die groesste Umgewoehnung fuer mich waren wohl die vielen westlichen Touristen, die in Pakistan der Tage nur noch sehr selten zu sehen sind.
Wir blieben nur kurz dort, flohen vor der ermuedenden Hitze in die Berge. Dort kamen wir vor drei Tagen an. Am Fusse des Himalaya, in einem kleinen Ort bei Dharamsala, der momentanen Residenz das Dalai Lama. Ein friedlicher Ort, der kaum etwas mit dem Rest Indiens zu tun hat. Hier leben groestenteils Tibeter, die ebenfalls hierher geflohen sind, allerdings vor den Chinesen, die ihr Land belagern. Das Leben hier ist ruhig, die Natur rundherum schoen und ich geniesse meine Ferien. MAncheiner wuerde diesen Ort, an dem es viele Touristen, Cafes und unzaehlige Schmuck- und Souvenierlaeden gibt vielleicht als unauthentisch, gar kuenstlich bezeichnen. In gewisser Weise zaehle ich mich vielleicht sogar ein bisschen dazu, doch gerade ist mir das egal. Ich lese, lerne tibetisch kochen, trinke Mango Lassis und auch Cappucchino, gehe wandern und rede mit anderen europaeischen Touristen.
Kommenden Montag ist der Geburtstag des Dalai Lama. Bis dahin bleiben wir noch hier, bis wir weiter nach Norden reisen, bis nach Ladakh, dem oestlichen Teil Kashmirs, wo man im Winter nur per Flugzeug kommt. Da werde ich mir wohl noch einen dicken Pullover kaufen muessen. Aus Kashmir-Wolle.

Mittwoch, 10. Juni 2009

da, schau mal...


Ich habe einige neue Bilder bei Flickr hochgeladen, größtenteils aus der Altstadt Lahores, die auf mich noch immer bei jedem Besuch einen großen, zauberhaften Eindruck macht... Als begebe man sich einige Jahre in der Zeit zurück.
Hier kommt man zu den Photos

Mittwoch, 3. Juni 2009

Zeugnisse schreiben, Theaterstück schreiben, Theaterstück üben, Geduld üben, ...


Zum Ende des Schuljahres hin wird es gerade noch einmal besonders chaotisch und arbeitsintensiv. Jede unserer Schulklassen hat in den vergangenen Wochen ein Theaterstück eingeübt, die nun Samstagabend aufgeführt werden sollen. Eine schöne, aber nervenaufreibende Arbeit. Viele Pläne werden umgeworfen, oder auch gar nicht erst gemacht.
Das ist hier so.
Man kann zwar gewisse Vereinbarungen und deren Einhaltung mit viel Energie einfordern, aber das meiste läuft doch so, wie es gerade kommt, also meistens gut, manchmal aber auch gar nicht. Das ist großartig für spontane Feste, oder auch unseren neuen, ganz hervorragenden Laden im Roshni-Dorf, der eine Woche, nachdem die Idee kam, eröffnet wurde.
Als ich hier neu und fremd war, habe ich mich manchmal sehr geärgert. Eine grundlos ausfallende Unterrichtsstunde, dich ich doch vorbereitet hatte, machte mich wütend, oder ich ging davon aus, dass unsere Köchin Dinge, die man ihr einmal sagte einhielt - pff...
Die ein oder andere Frustration hat mich weitaus entspannter gemacht, so dass ich mich jetzt eigentlich hauptsächlich auf Samstag und die darauffolgende Zeugnisvergabe am Mittwoch freue. Einige Zeugnisse sind noch nicht fertig und auch für die Aufführung ist noch einiges im Unklaren. Aber es wird ja doch irgendwie gut.

Sonntag, 17. Mai 2009

kurzer Zwischenstand

Vergangenen Monat war meine Mutter für gut zwei Wochen zu Besuch hier bei mir. Ihre Verabschiedung „Bis bald!“ machte es einmal wieder klar: Meine Zeit hier in Lahore neigt sich dem Ende zu.

Meine Mama über Lahore

Es bleibt mir noch ein halber Monat Unterricht, bis die Ferien beginnen, danach ein dreiwöchiges Feriencamp für unsere höheren Klassen, bis ich gemeinsam mit Rasmus, einem anderen deutschen Freiwilligen aufbrechen werde, um den Norden unseres Nachbarlandes Indien, sowie Nepal für gut einen Monat zu erkunden. In mir entsteht langsam ein Endspurts-Gefühl, ich mache viel - das gefällt mir. Ich fühle mich gut ausgefüllt und kann das Leben hier gerade sehr genießen. Erst gestern veranstalteten wir, die im Gemeinschaftshaus zusammen wohnen, ein Fest auf unserem Dach... Öllampen, lange Gespäche, gutes deutsch-pakistanisches Essen, alte indische Schlager, ein riesiger Sternenhimmel über uns und die angenehme Sommernacht um uns herum.

Von einem kleinen grünen Bäumchen im pakistanischen Bildungsdschungel

Jeder, der sich irgendwie dazu berufen fühlt, kann in Pakistan eine Schule gründen. Dies, verbunden mit der Tatsache, dass der Staat keinen einheitlichen Lehrplan vorgibt, hat dazu geführt, dass man hier heute einen Bildungsdschungel vorfindet, der sich in verschiedene Schulformen einteilen lässt. Der Staat bietet Schulen in unterschiedlichen Preisklassen, die jeweils von der entsprechenden Gesellschaftsschicht besucht werden. In den teuren staatlich geführten Schulen werden die Kinder der pakistanischen Mittelschicht von Lehrern mit höheren Bildungsabschlüssen fast rein intellektuell stark herausgefordert. Wer weniger Geld zur Verfügung hat, muss sich mit schlechter ausgebildeten und oft weniger motivierten Lehrern, sowie dürftig ausgestatteten Schulen, zufrieden geben. Was private Initiativen betrifft, so findet man einmal jene Schulen, für die die Kinder der reichen Bevölkerung Pakistans teure Eintrittskarten in Form von Schulgebühren zahlen müssen, die teilweise dem Gehalt eines Sozialarbeiters entsprechen, nämlich etwa 80 Euro pro Monat. Diese Eintrittskarte bietet nicht nur eine massive Schulbildung, sondern ermöglicht ihnen auch den Verbleib in dem aus Kontakten aufgebauten Kreis der Oberschicht. Gleichzeitig entstehen auch immer wieder reichlich verschiedene Formen von NGO-Schulen, die sich meist als gemeinnützige, durch Spenden finanzierte Institutionen die Bildung der armen Kinder zur Aufgabe gemacht haben.

Ali Hassan und Ahsan aus unserer vierten Klasse

Meinen Beobachtungen und Erfahrungen nach haben die meisten dieser Schulen, die sich in Preis, Ausstattung und Ansehen so sehr von einander unterscheiden, jedoch eine entscheidende Gemeinsamkeiten: Die in Pakistan üblichen Lehrmethoden wurden selbstverständlich von Erwachsenen entwickelt, wobei diese dabei offensichtlich von ihrer abstrakt-intellektuellen Art zu denken ausgehen, anstatt sich an der Entwicklung und den Bedürfnissen der heranwachsenden Kinder zu orientieren. Es entstand dadurch ein System, in dem es als gut und richtig gilt, Vierjährigen das Alphabet (Urdu sowie Englisch) beizubringen, Sechsjährigen den Nachmittag mit fünf Stunden Hausaufgaben zu füllen und Fünftklklässler im Physikunterricht englische Definitionen auswendig wiedergeben zu lassen, deren Satzstruktur sie oft nicht einmal verstehen. Dazu kommt, dass diese Leistungen in vielen Fällen unter großem Druck eingefordert werden, der zumeist mit Drohungen, Stock oder Lineal auf sie ausgeübt wird.

Schüler der fünften Klasse im Matheunterricht

In diesem pakistanischen Bildungsdschungel wurde 2007 am Rande der Großstadt Lahore unsere Green Earth Roshni School gegründet, in der heute etwa 100 Kinder zwischen Kindergarten und sechster Klasse von acht Lehrerinnen täglich unterrichtet werden. Eine von ihnen bin wie ihr wisst ich. Gegründet von Shahida Perveen-Hannesen, einer Pakistanerin, die lange Zeit in Deutschland und England lebte, soll dieses noch junge Bäumchen den Dorfkindern eine Chance bieten, sich hier ihrem Alter angemessen, sowohl intellektuell, als auch kreativ zu entwickeln. Die Ideen der Waldorfpädagogik bieten den Rahmen dazu, so dass im Stundenplan sowohl die gängigen Fächer wie Mathematik, Englisch und Urdu, als auch Handarbeit, Gartenbau und Musik ihren Platz finden.

Alina und Sehar in unserer kleinen Bibliothek

Neben Englisch in der vierten und fünften Klasse ist es nun auch meine Aufgabe, den Musikunterricht an unserer Schule zu gestalten. Die älteren Schüler lernen englische und Urdu-Lieder auf der Flöte und mit der zweiten Klasse verbringe ich wöchentlich zwei Stunden mit dem Spiel auf Kinderharfen, die uns eine deutsche Schule geschenkt hat. Diese pentatonischen, also für Laienhände leicht spielbaren Saiteninstrumente schaffen es offensichtlich Woche für Woche erneut, die Kinder in eine wunderbar ruhige Stimmung zu versetzen, die ganz klar eine Ausnahme in ihrem sonst so lauten und hektischen Alltag bildet. In dieser Besinnlichkeit kommen sie zu sich und haben immer wieder große Freude an ihrer eigenen Musik.

Die Kinder lernen hier, dass ihr eigenes, kreatives Tun Erfolgserlebnisse mit sich bringen kann. Das Auswendiglernen von Texten hingegen entwickelt weder Verantwortungsbewusstsein, noch Selbstbewusstsein und schon gar nicht bringt es den Kindern, Freude am Erkunden ihrer Welt. Genauso wenig hilft früher Druck, aufrecht im Leben stehen zu können.

Meinen Erfahrungen nach ist es aber genau die Förderung dieser Eigenschaften, die der pakistanischen Bevölkerung gut täte, was unsere Arbeit so wichtig und -inshallah- zukunftsweisend macht.

Mittwoch, 29. April 2009

Kamele in der Schule...


...die Karavane stand eines Morgens nahe unserer Schule am Straßenrand und befand sich eigentlich auf dem Weg zu irgendeinem Sufi-Fest, das wohl noch einige Tagesmärsche entfernt war. Gegen eine Schale Chai für jeden der Männer kamen sie gerne herein und machten uns allen, den Kindern natürlich besonders, eine große Freude.

Mittwoch, 22. April 2009

zu Hause bei Fatima

Unser heutiger Spaziergang führte uns vorbei am Haus von Fatima, der Frau, die uns hier in Roshni täglich das Mittagessen kocht und im Haushalt hilft. Natürlich waren wir herzlich willkommen – wie auch sonst in Pakistan? - und so möchte ich das zum Anlass nehmen, euch zu beschreiben, wie ein typisches Dorfhaus aussieht: zuerst begrüßen einen hier rechts zwei angekettete Büffel – das Kälbchen steht weiter hinten – und dabei die handbetriebene Häckselmaschine um aus Mais und anderen Pflanzen Büffelfutter zu machen. Gegenüber, auf der linken Seite befindet sich der Tandoor, ein runder Lehmofen, der etwa 30 cm aus der Erde herausschaut und in dessen Inneren ein Feuer die Lehmwände erhitzt, an denen dann die Teigfladen (Rotis) gebacken werden. Darauf folgt ein ebenes Stück, mit zwei pakistanischen Betten, das links von einem Zaun aus Ästen und recht von dem „Bad“ abgegrenzt ist. Bei besagtem Bad handelt es sich um eine Rechteckige Fläche von etwa ein mal zwei Metern mit einer Handpumpe und drei schulterhohen Backsteinwänden. An einer hängt ein kleines Plastikkörbchen mit 9 Zahnbürsten – für jeden eine. Das kleine Rinnsal aus Abwasser geht direkt durch den Hof, am Tandoor vorbei, zum Garten. Den hinteren Abschluss des Hofes bildet dann das Haus, ein rechteckiger Betonklotz mit nur einem Zimmer für alle neun – Küche inklusive. Neben dem Haus ist dann der Unterstand für die Tiere, die dem kalten pakistanischen Winter auch nicht ohne weiteres standhalten konnten. Dessen Grundriss ist etwa gleichgroß wie der des Hauses, hat aber nur halbhohe Lehmwände und ein Dach, aus Ästen und dünnen Balken geflochten.

Jetzt erlaubt es das Wetter aber wieder, dass sich das Leben fast ausschließlich draußen abspielt. Die Kinder rennen umher, spielen etwas grob mit dem angeketteten Huund, wir setzen uns auf die Betten, bekommen – wie auch sonst in Pakistan? - eine Coca Cola angeboten (würde ich sie doch nur mögen...), Fatima bereitet in einer unglaublichen Geschwindigkeit aus Atta, einem Teig aus Vollkornmehl und Wasser Rotis im Tandoor zu und gleichzeitig geht die Sonne unter und der Mond auf.