Donnerstag, 2. Juli 2009

Unterwegs

Meine Roshni-Zeit ist vorbei. Die letzten Wochen dort waren noch einmal sehr arbeitsintensiv, wobei meine "Arbeit" groesstenteils sehr angenehmer Natur war. In dem Sommerlager fuer unsere Schulkinder boten wir viele verschiedene Aktivitaeten an und aus meinem Buchbinde-Workshop entwickelte sich ein Grossprojekt, so dass jetzt halb Roshni Buecher binden und Marmorpapier machen kann. Es war schoen, die Menschen so kreativ arbeiten zu sehen. Zu meinen Reise- und Abschiedsvorbereitungen gehoerte auch, dass ich endlich einmal das grosse, festliche deutsche Abendessen veranstaltete, das mir schon lange vorschwebte.
Mit Kartoffelgratin, Tomatensuppe, indischen Saris und Bollywood-Danceparty auf dem Dach war es ein wunderbar festlicher Abend. Viele Menschen in Roshni sind mir sehr ans Herz gewachsen. Der Abschied war ein schoener, sehr herzlicher.

Aber jetzt bin ich unterwegs.
Samstag brach ich auf, nach Amritsar in Indien, wo ich Rasmus, einen anderen Roshni-Freiwilligen traf. Amritsar liegt direkt auf der anderen Seite der Grenze, als Lahore und doch ist vieles anders, als nur 30km weiter westlich. Die groesste Umgewoehnung fuer mich waren wohl die vielen westlichen Touristen, die in Pakistan der Tage nur noch sehr selten zu sehen sind.
Wir blieben nur kurz dort, flohen vor der ermuedenden Hitze in die Berge. Dort kamen wir vor drei Tagen an. Am Fusse des Himalaya, in einem kleinen Ort bei Dharamsala, der momentanen Residenz das Dalai Lama. Ein friedlicher Ort, der kaum etwas mit dem Rest Indiens zu tun hat. Hier leben groestenteils Tibeter, die ebenfalls hierher geflohen sind, allerdings vor den Chinesen, die ihr Land belagern. Das Leben hier ist ruhig, die Natur rundherum schoen und ich geniesse meine Ferien. MAncheiner wuerde diesen Ort, an dem es viele Touristen, Cafes und unzaehlige Schmuck- und Souvenierlaeden gibt vielleicht als unauthentisch, gar kuenstlich bezeichnen. In gewisser Weise zaehle ich mich vielleicht sogar ein bisschen dazu, doch gerade ist mir das egal. Ich lese, lerne tibetisch kochen, trinke Mango Lassis und auch Cappucchino, gehe wandern und rede mit anderen europaeischen Touristen.
Kommenden Montag ist der Geburtstag des Dalai Lama. Bis dahin bleiben wir noch hier, bis wir weiter nach Norden reisen, bis nach Ladakh, dem oestlichen Teil Kashmirs, wo man im Winter nur per Flugzeug kommt. Da werde ich mir wohl noch einen dicken Pullover kaufen muessen. Aus Kashmir-Wolle.

Mittwoch, 10. Juni 2009

da, schau mal...


Ich habe einige neue Bilder bei Flickr hochgeladen, größtenteils aus der Altstadt Lahores, die auf mich noch immer bei jedem Besuch einen großen, zauberhaften Eindruck macht... Als begebe man sich einige Jahre in der Zeit zurück.
Hier kommt man zu den Photos

Mittwoch, 3. Juni 2009

Zeugnisse schreiben, Theaterstück schreiben, Theaterstück üben, Geduld üben, ...


Zum Ende des Schuljahres hin wird es gerade noch einmal besonders chaotisch und arbeitsintensiv. Jede unserer Schulklassen hat in den vergangenen Wochen ein Theaterstück eingeübt, die nun Samstagabend aufgeführt werden sollen. Eine schöne, aber nervenaufreibende Arbeit. Viele Pläne werden umgeworfen, oder auch gar nicht erst gemacht.
Das ist hier so.
Man kann zwar gewisse Vereinbarungen und deren Einhaltung mit viel Energie einfordern, aber das meiste läuft doch so, wie es gerade kommt, also meistens gut, manchmal aber auch gar nicht. Das ist großartig für spontane Feste, oder auch unseren neuen, ganz hervorragenden Laden im Roshni-Dorf, der eine Woche, nachdem die Idee kam, eröffnet wurde.
Als ich hier neu und fremd war, habe ich mich manchmal sehr geärgert. Eine grundlos ausfallende Unterrichtsstunde, dich ich doch vorbereitet hatte, machte mich wütend, oder ich ging davon aus, dass unsere Köchin Dinge, die man ihr einmal sagte einhielt - pff...
Die ein oder andere Frustration hat mich weitaus entspannter gemacht, so dass ich mich jetzt eigentlich hauptsächlich auf Samstag und die darauffolgende Zeugnisvergabe am Mittwoch freue. Einige Zeugnisse sind noch nicht fertig und auch für die Aufführung ist noch einiges im Unklaren. Aber es wird ja doch irgendwie gut.

Sonntag, 17. Mai 2009

kurzer Zwischenstand

Vergangenen Monat war meine Mutter für gut zwei Wochen zu Besuch hier bei mir. Ihre Verabschiedung „Bis bald!“ machte es einmal wieder klar: Meine Zeit hier in Lahore neigt sich dem Ende zu.

Meine Mama über Lahore

Es bleibt mir noch ein halber Monat Unterricht, bis die Ferien beginnen, danach ein dreiwöchiges Feriencamp für unsere höheren Klassen, bis ich gemeinsam mit Rasmus, einem anderen deutschen Freiwilligen aufbrechen werde, um den Norden unseres Nachbarlandes Indien, sowie Nepal für gut einen Monat zu erkunden. In mir entsteht langsam ein Endspurts-Gefühl, ich mache viel - das gefällt mir. Ich fühle mich gut ausgefüllt und kann das Leben hier gerade sehr genießen. Erst gestern veranstalteten wir, die im Gemeinschaftshaus zusammen wohnen, ein Fest auf unserem Dach... Öllampen, lange Gespäche, gutes deutsch-pakistanisches Essen, alte indische Schlager, ein riesiger Sternenhimmel über uns und die angenehme Sommernacht um uns herum.

Von einem kleinen grünen Bäumchen im pakistanischen Bildungsdschungel

Jeder, der sich irgendwie dazu berufen fühlt, kann in Pakistan eine Schule gründen. Dies, verbunden mit der Tatsache, dass der Staat keinen einheitlichen Lehrplan vorgibt, hat dazu geführt, dass man hier heute einen Bildungsdschungel vorfindet, der sich in verschiedene Schulformen einteilen lässt. Der Staat bietet Schulen in unterschiedlichen Preisklassen, die jeweils von der entsprechenden Gesellschaftsschicht besucht werden. In den teuren staatlich geführten Schulen werden die Kinder der pakistanischen Mittelschicht von Lehrern mit höheren Bildungsabschlüssen fast rein intellektuell stark herausgefordert. Wer weniger Geld zur Verfügung hat, muss sich mit schlechter ausgebildeten und oft weniger motivierten Lehrern, sowie dürftig ausgestatteten Schulen, zufrieden geben. Was private Initiativen betrifft, so findet man einmal jene Schulen, für die die Kinder der reichen Bevölkerung Pakistans teure Eintrittskarten in Form von Schulgebühren zahlen müssen, die teilweise dem Gehalt eines Sozialarbeiters entsprechen, nämlich etwa 80 Euro pro Monat. Diese Eintrittskarte bietet nicht nur eine massive Schulbildung, sondern ermöglicht ihnen auch den Verbleib in dem aus Kontakten aufgebauten Kreis der Oberschicht. Gleichzeitig entstehen auch immer wieder reichlich verschiedene Formen von NGO-Schulen, die sich meist als gemeinnützige, durch Spenden finanzierte Institutionen die Bildung der armen Kinder zur Aufgabe gemacht haben.

Ali Hassan und Ahsan aus unserer vierten Klasse

Meinen Beobachtungen und Erfahrungen nach haben die meisten dieser Schulen, die sich in Preis, Ausstattung und Ansehen so sehr von einander unterscheiden, jedoch eine entscheidende Gemeinsamkeiten: Die in Pakistan üblichen Lehrmethoden wurden selbstverständlich von Erwachsenen entwickelt, wobei diese dabei offensichtlich von ihrer abstrakt-intellektuellen Art zu denken ausgehen, anstatt sich an der Entwicklung und den Bedürfnissen der heranwachsenden Kinder zu orientieren. Es entstand dadurch ein System, in dem es als gut und richtig gilt, Vierjährigen das Alphabet (Urdu sowie Englisch) beizubringen, Sechsjährigen den Nachmittag mit fünf Stunden Hausaufgaben zu füllen und Fünftklklässler im Physikunterricht englische Definitionen auswendig wiedergeben zu lassen, deren Satzstruktur sie oft nicht einmal verstehen. Dazu kommt, dass diese Leistungen in vielen Fällen unter großem Druck eingefordert werden, der zumeist mit Drohungen, Stock oder Lineal auf sie ausgeübt wird.

Schüler der fünften Klasse im Matheunterricht

In diesem pakistanischen Bildungsdschungel wurde 2007 am Rande der Großstadt Lahore unsere Green Earth Roshni School gegründet, in der heute etwa 100 Kinder zwischen Kindergarten und sechster Klasse von acht Lehrerinnen täglich unterrichtet werden. Eine von ihnen bin wie ihr wisst ich. Gegründet von Shahida Perveen-Hannesen, einer Pakistanerin, die lange Zeit in Deutschland und England lebte, soll dieses noch junge Bäumchen den Dorfkindern eine Chance bieten, sich hier ihrem Alter angemessen, sowohl intellektuell, als auch kreativ zu entwickeln. Die Ideen der Waldorfpädagogik bieten den Rahmen dazu, so dass im Stundenplan sowohl die gängigen Fächer wie Mathematik, Englisch und Urdu, als auch Handarbeit, Gartenbau und Musik ihren Platz finden.

Alina und Sehar in unserer kleinen Bibliothek

Neben Englisch in der vierten und fünften Klasse ist es nun auch meine Aufgabe, den Musikunterricht an unserer Schule zu gestalten. Die älteren Schüler lernen englische und Urdu-Lieder auf der Flöte und mit der zweiten Klasse verbringe ich wöchentlich zwei Stunden mit dem Spiel auf Kinderharfen, die uns eine deutsche Schule geschenkt hat. Diese pentatonischen, also für Laienhände leicht spielbaren Saiteninstrumente schaffen es offensichtlich Woche für Woche erneut, die Kinder in eine wunderbar ruhige Stimmung zu versetzen, die ganz klar eine Ausnahme in ihrem sonst so lauten und hektischen Alltag bildet. In dieser Besinnlichkeit kommen sie zu sich und haben immer wieder große Freude an ihrer eigenen Musik.

Die Kinder lernen hier, dass ihr eigenes, kreatives Tun Erfolgserlebnisse mit sich bringen kann. Das Auswendiglernen von Texten hingegen entwickelt weder Verantwortungsbewusstsein, noch Selbstbewusstsein und schon gar nicht bringt es den Kindern, Freude am Erkunden ihrer Welt. Genauso wenig hilft früher Druck, aufrecht im Leben stehen zu können.

Meinen Erfahrungen nach ist es aber genau die Förderung dieser Eigenschaften, die der pakistanischen Bevölkerung gut täte, was unsere Arbeit so wichtig und -inshallah- zukunftsweisend macht.

Mittwoch, 29. April 2009

Kamele in der Schule...


...die Karavane stand eines Morgens nahe unserer Schule am Straßenrand und befand sich eigentlich auf dem Weg zu irgendeinem Sufi-Fest, das wohl noch einige Tagesmärsche entfernt war. Gegen eine Schale Chai für jeden der Männer kamen sie gerne herein und machten uns allen, den Kindern natürlich besonders, eine große Freude.

Mittwoch, 22. April 2009

zu Hause bei Fatima

Unser heutiger Spaziergang führte uns vorbei am Haus von Fatima, der Frau, die uns hier in Roshni täglich das Mittagessen kocht und im Haushalt hilft. Natürlich waren wir herzlich willkommen – wie auch sonst in Pakistan? - und so möchte ich das zum Anlass nehmen, euch zu beschreiben, wie ein typisches Dorfhaus aussieht: zuerst begrüßen einen hier rechts zwei angekettete Büffel – das Kälbchen steht weiter hinten – und dabei die handbetriebene Häckselmaschine um aus Mais und anderen Pflanzen Büffelfutter zu machen. Gegenüber, auf der linken Seite befindet sich der Tandoor, ein runder Lehmofen, der etwa 30 cm aus der Erde herausschaut und in dessen Inneren ein Feuer die Lehmwände erhitzt, an denen dann die Teigfladen (Rotis) gebacken werden. Darauf folgt ein ebenes Stück, mit zwei pakistanischen Betten, das links von einem Zaun aus Ästen und recht von dem „Bad“ abgegrenzt ist. Bei besagtem Bad handelt es sich um eine Rechteckige Fläche von etwa ein mal zwei Metern mit einer Handpumpe und drei schulterhohen Backsteinwänden. An einer hängt ein kleines Plastikkörbchen mit 9 Zahnbürsten – für jeden eine. Das kleine Rinnsal aus Abwasser geht direkt durch den Hof, am Tandoor vorbei, zum Garten. Den hinteren Abschluss des Hofes bildet dann das Haus, ein rechteckiger Betonklotz mit nur einem Zimmer für alle neun – Küche inklusive. Neben dem Haus ist dann der Unterstand für die Tiere, die dem kalten pakistanischen Winter auch nicht ohne weiteres standhalten konnten. Dessen Grundriss ist etwa gleichgroß wie der des Hauses, hat aber nur halbhohe Lehmwände und ein Dach, aus Ästen und dünnen Balken geflochten.

Jetzt erlaubt es das Wetter aber wieder, dass sich das Leben fast ausschließlich draußen abspielt. Die Kinder rennen umher, spielen etwas grob mit dem angeketteten Huund, wir setzen uns auf die Betten, bekommen – wie auch sonst in Pakistan? - eine Coca Cola angeboten (würde ich sie doch nur mögen...), Fatima bereitet in einer unglaublichen Geschwindigkeit aus Atta, einem Teig aus Vollkornmehl und Wasser Rotis im Tandoor zu und gleichzeitig geht die Sonne unter und der Mond auf.

Montag, 13. April 2009

Frohe Ostern

Auch hier in Pakistan hatten wir gestern einen richtig schönen Ostermorgen. Gerade sind für eine Woche Ferien, die Betreuten aus unserer Wohngemeinschaftsind deshalb fast alle zu ihren Familien und ich muss für eine Woche keinen Unterricht vorbereiten. Das bedeutet eine gerade sehr angenehme, vielleicht auch dringend notwendige, Entspannung, die allein schon den gestrigen Tag so schön machte. Es gab ein schönes, langes Frühstück und danach einen Osterspaziergang, der jedoch wegen der inzwischen aufkommenden Hitze nur kurz war.
Wie man auf dem Bild oben sieht, sind die Tierkinder hier in Roshni für pakistanische Verhältnisse ungewöhnlich pünktlich. Seit wenigen Tagen haben wir hier kleine Katzen, Gänse und Hühner.
Heute begann unser Teachers-Training erneut, das ein Waldorfschul-Lehrer aus Deutschland nun noch für diese Woche vormittags für uns gibt. Es ist gut für mich, hier so viel lernen zu können und durch die vielen Informationen und vor allem Erfahrungen, dem Waldorfschul-System immer näher zu kommen. Es scheint mir wirklich Großartiges dahinter zu stecken.

Montag, 23. März 2009

Einige nennenswerte Ereignisse...

...von denen ich nicht berichtet habe, möchte ich doch kurz erwähnen:

Mein Vater war vor kurzem für zwei Wochen hier bei uns in Roshni. Es war eine wunderbare Zeit mit ihm, wir konnten viel pannendes zusammen erleben, waren für einige Tage im Stadtzentrum Lahores in einem Hotel und er konnte ein wenig in unserer Holzwerkstatt und beim Holzarbeits-Unterricht in unserer Schule mithelfen. Abgesehen von den schönen Erfahrungen sind die beiden Welten, die mein Leben gerade betreffen dadurch etwas näher zusammengerückt und es fühlte sich gut an, jemanden in mein Leben hier einzuweihen.

links mein Papa, rechts Sumati, drumherum der schöne Punjab

Während dessen hat es sich leider so entwickelt, dass Sumati, eine der anderen deutschen Freiwilligen, die eine gute Freundin für mich geworden ist, zurück nach Deutschland gefahren ist... Das hat schon einiges an der Struktur hier im Haus verändert.

In der Schule ist mein Stundenplan jetzt so, dass ich täglich die 4. und 5./6. (die sind in einem Klassenraum) sowohl in Flöten, als auch in Englisch unterrichte, weiterhin aber zwei mal die Woche den Kinderharfenunterricht für die zweite Klasse gebe. Ich bin noch ein wenig am testen, welche Unterrichtsmethoden für welche Klasse sinnvoll sind, bin aber recht zufrieden und habe glücklicherweise reichlich Literatur über den Waldorflehrplan und dazugehörige Tipps zur Verfügung.

mit Schulkindern vor dem Unterrichtsbeginn

Die "Straßenschlachten" in Lahore sind vorbei, der "Lange Marsch" der Richter und Anwälte ist erfolgreich gewesen und die Regierung hat nun endlich zugelassen, dass alle Richter, die Musharraf 2007 aus dem Amt enthoben hat, nun wieder in ihren Posten sind.

Ich will keinen zu etwas überreden, sondern euch nur darüber informieren, dass es Roshni momentan finanziell nicht gut geht, weshalb Spenden dringend gebraucht werden. Wer etwas geben möchte, findet die Informationen dazu rechts, kann mich aber auch gerne anschreiben.

Freitag, 20. März 2009

Mennas Verlobung

In einen Teil der pakistanischen Kultur, den ich nach meiner Zeit hier noch immer nicht verstehen und schon gar nicht gutheißen kann, bekam ich in den vergangenen Tagen einen fast zu genauen Einblick. Eines abends am großen Esstisch kam auf, dass Menna, ein pakistanisches Mädchen in meinem Alter, das bei uns im Haus mitarbeitet, jetzt bald heiraten solle. Da die meisten Mädchen hier wie verrückt danach sind, endlich verheiratet zu werden ging ich davon aus, es sei auch bei ihr so... Sie und ihr Zukünftiger haben sich nie gesehen, nur ein kleines Photo und die Familien haben sich gegenseitig besucht und kennen gelernt. Sonntag sollte dann die Verlobung stattfinden, zu der mich ihre Tante einlud...warum nicht mitfahren?! Gehört ja zur Tradition des Landes und ist sicher interessant...

Bei neuen Bekanntschaften hier in Pakistan gehört die Frage, ob man verheiratet sei meist in die erste Minute des Gesprächs, was vielleicht deutlich macht, welche Bedeutung dieser Schritt hat. In der gebildeten Gesellschaftsschicht ist es nicht selten so, dass Frauen nach vielen Jahren des Studiums und einer darauf folgenden Hochzeit Hausfrau und Mutter sein müssen. Es zählt schon eher zur Ausnahme, wenn ihnen ihr Mann erlaubt, weiter zu arbeiten. Was für uns als Europäer nun grausam klingt, haben die meisten hier jedoch akzeptiert und nehmen es sich zum Ziel, ihren Mann und ihre Familie so gut wie möglich zu versorgen. Die Ehe ist also anders einzuordnen, als bei uns.

Mit 15 Leuten in einem kleinen Van fuhren wir nun sonntags aufgebrezelt durch Städte und Felder, um das Dorf, in dem die Familie des zukünftigen Verlobten zu besuchen. Immer tiefer in die wunderschöne grüne Landschaft des Punjab (die Provinz, in der wir leben) ging es, bis wir endlich vor einem der traditionellen Lehmhäuser anhielten, das Teil des Hofes war, auf dem wir erwartet wurden.

die Familie




Richtig schönes Landleben gab es dort zu sehen, mit vielen Tieren, der ganzen Familie in einem Haus und guter Natur. Hier wird Menna also in nicht allzu ferner Zukunft ihre Wochenenden verbringen... wochentags arbeitet ER in einer Bank in Lahore.

Nach Essen und Erkundung der Umgebung fand die Verlobung statt - Menna war bei dem ganzen Ausflug nicht dabei. Ihre Familie bot der Familie des Mannes dafür reichlich Geschenke als Aussteuer an und überreichte in einer feierlichen Zeremonie Geld. Das ganze war an sich eine schöne Veranstaltung, beide Familien freundlich und gut gelaunt und auch Mennas Verlobter machte einen netten Eindruck, aber immer wieder hatte ich im Hinterkopf, wie Menna am Abend zu vor immer wieder sagte, dass sie nicht heiraten möchte...

Der Vollständigkeit halber sei noch zu sagen, dass es durchaus auch Familien gibt, in denen sich die Kinder ihre zukünftigen Ehepartner selbst aussuchen. Sie bilden zwar die Ausnahme, aber es ist nicht immer die Familie, die auswählt.

Freitag, 13. März 2009

Die Nachrichten lesend...

In Deutschland sind die Menschen schockiert über den Amoklauf bei Stuttgart, hier in Lahore sind gerade mal zehn Tage vergangen, seit dem Anschlag auf das Kricket-Team Sri Lankas... Was passiert nur mit den Menschen?
Die Nachrichten über Pakistan lesend bin ich immer wieder tief berührt über das Unheil, das in diesem Land gerade angerichtet wird. Trotzdem scheinen mir das alles noch immer fast genauso ungreifbar, wie vor meiner Zeit hier. Natürlich begreife ich manches besser jetzt, da ich einen Einblick in die Mentalität des pakistanischen Volkes bekommen habe, aber dennoch wirken Meldungen über Attentate und „Talibanisierung“ wie aus weiter Ferne. Zu unterschiedlich ist doch das Bild, das Pakistan mir darbietet und das ich Tag für Tag genießen kann. Die Menschen sind zu freundlich, das Land zu schön... Trotzdem muss ich auch diese Realität mit in mein Mosaik von Pakistan-Erfahrungen einbauen, denn weit weg ist das alles nicht gerade. Liberty-Market und Gaddafi-Stadium, wo die Schießerei vor zehn Tagen stattfand, sind beides Orte, die ich schon besucht habe und ich höre von pakistanischen Freundinnen, die im Bus angeschnauzt werden, sie sollten ihr Dopata (der Schal, den man um den Kopf oder den Oberkörper trägt) anständig anziehen. Einige Menschen haben haben mir erzählt, sie haben Angst, fühlten sich vor allem hilflos gegenüber den Taliban, oder gewalttätigen Extremisten allgemein.
Wer ein wenig die Zeitungen verfolgt, hat vielleicht auch von den Ereignissen im wunderschönen Swat-Gebiet mitbekommen, wo jetzt die Sharia wieder anstatt des staatlichen Gesetzbuches eingesetzt wurde. Was zunächst unglaublich klingt, ist allerdings recht einfach zu erklären. Es geht dabei nämlich vorrangig um Streitereien über Land, die die sehr traditionsbewusste Landbevölkerung seit Jahrhunderten mit der Sharia schnell und ihrer Auffassung nach gerecht schlichten kann. Das diese Menschen emotionalen Gemüts nicht zwei Jahre auf ein Gerichtsurteil von irgendwoher warten möchten, ist vielleicht verständlich. Es ist aus diesem Schritt, den ich im übrigen nicht als gut empfinde, also nicht zu schließen, dass alle Menschen im Swat, die sich eben aus diesem Grund hinter die Forderung der Taliban gestellt haben wild darauf sind, Dieben die Hände abzuhacken, den Westen zu vernichten oder Ehebrecher zu steinigen. So viel nur als kleine Erklärung.
Dies war mein erster Eintrag über dieses an sich wichtige Thema, was wohl klarmachen sollte, welch geringe Rolle es in meinem Alltag spielt. Ich möchte, dass ihr auch ein anderes Gesicht Pakistans zu sehen lernt.


Sonntag, 15. Februar 2009

Vision-Walk mit Roshni

Wenngleich schon wieder fast eine ganze Woche seit meiner Rückkehr vergangen ist, möchte ich euch doch noch von einem Ausflug erzählen, den wir mit den pakistanischen Mitarbeitern hier in Roshni und Dirk Kruse aus Deutschland vergangenes Wochenende unternahmen. Wir verbrachten zwei wundervolle Tage in den nördlich gelegenen Bergen Pakistans. Der Ort, zu dem uns unser Weg zuerst führte, war Kallar Kahar, ein für pakistanische Verhältnisse touristischer Ort mit Tretbooten, einem alten Riesenrad und Pferden und Kamelen zum Reiten. Trotzdem waren auch hier Dirk und ich die einzigen Westler, wobei die schöne Landschaft eindeutig mehr Besuchern würdig wäre.

Direkt nach der Ankunft erkundeten Anum und ich einen Teil der Gegend, es gab einen kleinen Wald mit einer Quelle, aus der ein kleiner Bach entsprung, un dem sich das inzwischen schon wieder recht kräftige Sonnenlicht reflektierte und ein großer, alter Baum auf der Bergspitze bildete die Krönung unseres kleinen Ausflugs.



Mit allen anderen machten wir später einen „Vision-Walk“, eine Wanderung auf einen größeren Berg, bei dem wir uns über unsere Rolle und Aufgabe in Roshni bewusst werden sollten. Wie schön es war, sich einmal wieder körperlich zu betätigen! Ich fühle mich inzwischen schon sehr verbunden mit dem Roshni-Projekt und auch mit einigen Menschen in der Gemeinschaft, vor allem aus der Lehrerschaft. Dies war wahrscheinlich für mich die wichtigste Feststellung während der Zeit in den Bergen. Wir haben viel gemeinsam galacht, Geschichten erzählt, Sterne geschaut und einfach die herrliche Natur dort genossen.


Der zweite Tag bestand nach einem Seminarteil aus Enjoyment – Tretboot, Pferd- und Kamelreiten, Riesenradfahren – und der Besichtigung eines uralten Hindu-Tempels. Eine ganz besondere Stimmung herrschte dort, begonnen bei einem kleinen, klarblauen Teich im Inneren, Korallen-Fossilien, aus denen große Teile des Tempels bestanden und noch lange nicht endend, bei den teilweise noch immer erkennbaren Wandmalereien. Leider ist der paksistanische Staat nicht in der Lage, Geld für die Instandhaltung solch ehrwürdiger Orte zur Verfügung zu stellen, so dass die Wandmalereien wohl ungehalten weiter abblättern werden... Schade drum!

Unseren letzten Halt vor dem Highway in Richtung Lahore machten wir in Khewra, ebenfalls noch in den Bergen, wo sich das zweitgrößte Gebiet zum Abbau von Salz auf der Welt befindet. Mit einem kleinen Bähnchen war es uns möglich, einen der Berge von innen zu sehen – ein unglaublicher Anblick! Durch die verschiedenen Metall und Erdeinlagerungen waren in dem Salz, das uns ringsherum umgab wundervolle Muster in rot-braun-weiß entstanden.

Jetzt sind wir wieder in Roshni. Der Alltag wird wohl langsam wieder Einzug halten, was ich gerade als gar nicht negativ empfinde, schon gar nicht für meine Lehrerinnenarbeit.


Zuletzt möchte ich noch ein neues Projekt vorstellen, das hier gerade anläuft. Man könnte es den großen Bruder meiner Schul-Bücherei nennen: In dem Dorf Karbath, wo auch unsere Roshni-Gemeinschaft, sowie einer unserer beiden Bioläden sind, möchten wir gerne eine Bücherei für die Dorfkinder eröffnen. In einem kleinen Raum soll für sie täglich für ein bis zwei Stunden die Möglichkeit bestehen, sich Bücher auszuleihen, zu basteln, zu malen, Schreibwaren zu kaufen, oder – vorausgesetzt, es wird gut angenommen! - sich dort zu treffen. Ein für mein Empfinden sehr vielversprechendes und hilfreiches Projekt, da die teilweise wirklich armen Kinder begeisterte Leser zu sein scheinen. In der Schule jedenfalls komme ich in den Pausen oft kaum hinterher, alle Kinder aufzuschreiben, die sich ein Buch ausleihen möchten. Schön, dass sie die Bücher so wertschätzen!


Mittwoch, 4. Februar 2009

Es ist einmal wieder Erntezeit in Roshni!

Gerade habe ich eine Schüssel Krautsalat von unseren eigenen Kohlköpfen verputzt und auch sonst können wir uns gerade fast nur von leckerem, biologisch angebautem Gemüse aus dem Roshni-Garten ernähren. Rettiche, Spinat, Karotten, Brokkoli, Kartoffeln, Weißkohl, Blumenkohl, Salat, Auberginen, ... alles wächst ganz wunderbar.

Es gibt hier bisher leider nur wenige Pakistaner, die von biologischer/biodynamischer Landwirtschaft überzeugt sind, aber wenigstens unsere Mitarbeiter im Garten geben langsam zu, dass man ja vielleicht wirklich nicht so viele Chemikalien zum Düngen braucht.

Ein wichtiger Teil unseres Gartens, der Kompost, der hier wirklich mit viel Liebe umsorgt wird, wurde dagegen zum Vorbild für ein größeres Projekt. In Zusammenarbeit mit einem „Experten“ und dank guter finanzieller Unterstützung konnte Roshni im Nachbardorf ein größeres Kompost-Projekt starten, was hoffentlich helfen wird, den riesigen Müllmengen teilweise Herr zu werden und gleichzeitig guten Dünger zu schaffen. Die Dorfbevölkerung machte jedenfalls einen interessierten Eindruck, so dass Hoffnung auf ein gutes Gelingen besteht.

Die Zeit in Indien liegt nun schon wieder eine gute Woche zurück... Leider wurde ich auf der Reise sehr krank, was das ganze nicht angenehmer machte. Trotzdem konnte ich mich noch gut mit Indien anfreunden. Manche Teile Delhis, wie zum Beispiel das alte, muslimische Sufi-Viertel Nizamuddin, haben mich sehr fasziniert und ich freue mich schon auf den Sommer, wenn ich hoffentlich mehr vom Land kennenlernen kann.

Kinder in Nizamuddin
Weil wir die Grenze bei Amritsar überquerten, verbrachten wir auf dem Rückweg auch eine Nacht in dem Goldenen Tempel dort, der der wichtigste Sikh-Tempel ist. Als Reisende wurden wir dort mit unerwarteter Gastfreundschaft aufgenommen, bekamen zu Essen und einen Schlafplatz, sowie interessante Gespräche mit uralten Sikhs. (Der Sikhismus ist eine in Indien weit verbreitete Religion, die sich Grob als Mischung aus Islam und Hinduismus beschreiben lässt.)

der Goldene Tempel von Amritsar

Sumati im Zug mit vielen Sikhs

Zurück in Roshni haben wir momentan Besuch von Dirk Kruse, einem sehr interessanten Mann, der hier Seminare zum Thema Heilpädagogik hält und uns in Roshni mit „Organisationsentwicklung“ helfen möchte. Tatsächlich habe ich das Gefühl, sein Besuch sorgt für einen guten, frischen Wind, der mir zumindest zu neuer Inspiration verhilft. Es tut mir auch gut, ein paar neue Aufgaben in der Schule zu haben. Wie berichtet gebe ich jetzt regulär mehr Unterricht, aber auch im Kindergarten konnte ich in der vergangenen Zeit einige schöne Aktionen anleiten und ab Übermorgen soll es für die Kinder die Möglichkeit geben, sich Bücher aus unserer kleinen Sammlung auszuleihen, die hoffentlich noch zu einer richtigen Schul-Bibliothek heranwachsen kann. Vielleicht hat ja jemand von euch Interesse, ein bisschen Geld für Bücher zu spenden?!

Sonntag, 18. Januar 2009

Delhi!

Fuer alle, die mit mir gefiebert haben: Nach einer kraeftezehrenden Odyssee sind wir vier Weltwaerts-Freiwilligen jetzt doch in Delhi zu einem Zwischenseminar eingetroffen. Leider hatten wir unser Seminar verpasst, da das mit den Visa zu lange gedauert hat. Die Leute von VIA e.V. haben uns Anthros aber sehr tolerant aufgenommen und so hatten wir bereits zwei schoene Tage in der Hauptstadt. Hier (in dem Teil der stadt, den ich kennengelernt habe) ist vieles anders als in Lahore, dafuer aehnlich wie in Deutschland oder sonst fast ueberall. All die teuren Geschaefte sind sauber, die Menschen westlicher und der Verkehr geordneter, und trotzdem macht mich das alles sehr gluecklich, in Lahore zu leben, wo ich die uralten, halb zerfallenen Haeuser und die unzaehligen Strassenstaende so sehr ins Herz geschlossen habe. Adidas Geschaefte, riesige Haeuser und Jeans und T-shirt tragende Frauen werde ich ja noch genug sehen in meinem Leben. Fuer ein paar Tage zum Entspannen ist es aber ganz angenehm und dieser westliche Eindruck steht ja auch bei weitem nicht fuer ganz Indien.
Das Seminar, das inzwischen zwei Tage alt ist, tut gut, um meine Arbeit in Roshni aus der Entfernung zu reflektieren und wertzuschaetzen. Es ist schliesslich bald schon Halbzeit meines Dienstes, sodass ich mir gut ueberlegen muss, was ich in den kommenden Monaten noch alles erledigen moechte. Seit Weihnachten bin ich schon in der Schule mehr integriert, gebe jetzt auch der 5./6. Klasse Englisch- und Floetenunterricht, was ich gerne mache.
Jetzt aber stehen noch einige Tage Auszeit an, die ich auch einfach geniessen moechte und an denen ich hoffentlich noch mehr von Delhi kennenlerne... Die Honigmelonen hier sind jedenfalls koestlich!