Montag, 23. März 2009

Einige nennenswerte Ereignisse...

...von denen ich nicht berichtet habe, möchte ich doch kurz erwähnen:

Mein Vater war vor kurzem für zwei Wochen hier bei uns in Roshni. Es war eine wunderbare Zeit mit ihm, wir konnten viel pannendes zusammen erleben, waren für einige Tage im Stadtzentrum Lahores in einem Hotel und er konnte ein wenig in unserer Holzwerkstatt und beim Holzarbeits-Unterricht in unserer Schule mithelfen. Abgesehen von den schönen Erfahrungen sind die beiden Welten, die mein Leben gerade betreffen dadurch etwas näher zusammengerückt und es fühlte sich gut an, jemanden in mein Leben hier einzuweihen.

links mein Papa, rechts Sumati, drumherum der schöne Punjab

Während dessen hat es sich leider so entwickelt, dass Sumati, eine der anderen deutschen Freiwilligen, die eine gute Freundin für mich geworden ist, zurück nach Deutschland gefahren ist... Das hat schon einiges an der Struktur hier im Haus verändert.

In der Schule ist mein Stundenplan jetzt so, dass ich täglich die 4. und 5./6. (die sind in einem Klassenraum) sowohl in Flöten, als auch in Englisch unterrichte, weiterhin aber zwei mal die Woche den Kinderharfenunterricht für die zweite Klasse gebe. Ich bin noch ein wenig am testen, welche Unterrichtsmethoden für welche Klasse sinnvoll sind, bin aber recht zufrieden und habe glücklicherweise reichlich Literatur über den Waldorflehrplan und dazugehörige Tipps zur Verfügung.

mit Schulkindern vor dem Unterrichtsbeginn

Die "Straßenschlachten" in Lahore sind vorbei, der "Lange Marsch" der Richter und Anwälte ist erfolgreich gewesen und die Regierung hat nun endlich zugelassen, dass alle Richter, die Musharraf 2007 aus dem Amt enthoben hat, nun wieder in ihren Posten sind.

Ich will keinen zu etwas überreden, sondern euch nur darüber informieren, dass es Roshni momentan finanziell nicht gut geht, weshalb Spenden dringend gebraucht werden. Wer etwas geben möchte, findet die Informationen dazu rechts, kann mich aber auch gerne anschreiben.

Freitag, 20. März 2009

Mennas Verlobung

In einen Teil der pakistanischen Kultur, den ich nach meiner Zeit hier noch immer nicht verstehen und schon gar nicht gutheißen kann, bekam ich in den vergangenen Tagen einen fast zu genauen Einblick. Eines abends am großen Esstisch kam auf, dass Menna, ein pakistanisches Mädchen in meinem Alter, das bei uns im Haus mitarbeitet, jetzt bald heiraten solle. Da die meisten Mädchen hier wie verrückt danach sind, endlich verheiratet zu werden ging ich davon aus, es sei auch bei ihr so... Sie und ihr Zukünftiger haben sich nie gesehen, nur ein kleines Photo und die Familien haben sich gegenseitig besucht und kennen gelernt. Sonntag sollte dann die Verlobung stattfinden, zu der mich ihre Tante einlud...warum nicht mitfahren?! Gehört ja zur Tradition des Landes und ist sicher interessant...

Bei neuen Bekanntschaften hier in Pakistan gehört die Frage, ob man verheiratet sei meist in die erste Minute des Gesprächs, was vielleicht deutlich macht, welche Bedeutung dieser Schritt hat. In der gebildeten Gesellschaftsschicht ist es nicht selten so, dass Frauen nach vielen Jahren des Studiums und einer darauf folgenden Hochzeit Hausfrau und Mutter sein müssen. Es zählt schon eher zur Ausnahme, wenn ihnen ihr Mann erlaubt, weiter zu arbeiten. Was für uns als Europäer nun grausam klingt, haben die meisten hier jedoch akzeptiert und nehmen es sich zum Ziel, ihren Mann und ihre Familie so gut wie möglich zu versorgen. Die Ehe ist also anders einzuordnen, als bei uns.

Mit 15 Leuten in einem kleinen Van fuhren wir nun sonntags aufgebrezelt durch Städte und Felder, um das Dorf, in dem die Familie des zukünftigen Verlobten zu besuchen. Immer tiefer in die wunderschöne grüne Landschaft des Punjab (die Provinz, in der wir leben) ging es, bis wir endlich vor einem der traditionellen Lehmhäuser anhielten, das Teil des Hofes war, auf dem wir erwartet wurden.

die Familie




Richtig schönes Landleben gab es dort zu sehen, mit vielen Tieren, der ganzen Familie in einem Haus und guter Natur. Hier wird Menna also in nicht allzu ferner Zukunft ihre Wochenenden verbringen... wochentags arbeitet ER in einer Bank in Lahore.

Nach Essen und Erkundung der Umgebung fand die Verlobung statt - Menna war bei dem ganzen Ausflug nicht dabei. Ihre Familie bot der Familie des Mannes dafür reichlich Geschenke als Aussteuer an und überreichte in einer feierlichen Zeremonie Geld. Das ganze war an sich eine schöne Veranstaltung, beide Familien freundlich und gut gelaunt und auch Mennas Verlobter machte einen netten Eindruck, aber immer wieder hatte ich im Hinterkopf, wie Menna am Abend zu vor immer wieder sagte, dass sie nicht heiraten möchte...

Der Vollständigkeit halber sei noch zu sagen, dass es durchaus auch Familien gibt, in denen sich die Kinder ihre zukünftigen Ehepartner selbst aussuchen. Sie bilden zwar die Ausnahme, aber es ist nicht immer die Familie, die auswählt.

Freitag, 13. März 2009

Die Nachrichten lesend...

In Deutschland sind die Menschen schockiert über den Amoklauf bei Stuttgart, hier in Lahore sind gerade mal zehn Tage vergangen, seit dem Anschlag auf das Kricket-Team Sri Lankas... Was passiert nur mit den Menschen?
Die Nachrichten über Pakistan lesend bin ich immer wieder tief berührt über das Unheil, das in diesem Land gerade angerichtet wird. Trotzdem scheinen mir das alles noch immer fast genauso ungreifbar, wie vor meiner Zeit hier. Natürlich begreife ich manches besser jetzt, da ich einen Einblick in die Mentalität des pakistanischen Volkes bekommen habe, aber dennoch wirken Meldungen über Attentate und „Talibanisierung“ wie aus weiter Ferne. Zu unterschiedlich ist doch das Bild, das Pakistan mir darbietet und das ich Tag für Tag genießen kann. Die Menschen sind zu freundlich, das Land zu schön... Trotzdem muss ich auch diese Realität mit in mein Mosaik von Pakistan-Erfahrungen einbauen, denn weit weg ist das alles nicht gerade. Liberty-Market und Gaddafi-Stadium, wo die Schießerei vor zehn Tagen stattfand, sind beides Orte, die ich schon besucht habe und ich höre von pakistanischen Freundinnen, die im Bus angeschnauzt werden, sie sollten ihr Dopata (der Schal, den man um den Kopf oder den Oberkörper trägt) anständig anziehen. Einige Menschen haben haben mir erzählt, sie haben Angst, fühlten sich vor allem hilflos gegenüber den Taliban, oder gewalttätigen Extremisten allgemein.
Wer ein wenig die Zeitungen verfolgt, hat vielleicht auch von den Ereignissen im wunderschönen Swat-Gebiet mitbekommen, wo jetzt die Sharia wieder anstatt des staatlichen Gesetzbuches eingesetzt wurde. Was zunächst unglaublich klingt, ist allerdings recht einfach zu erklären. Es geht dabei nämlich vorrangig um Streitereien über Land, die die sehr traditionsbewusste Landbevölkerung seit Jahrhunderten mit der Sharia schnell und ihrer Auffassung nach gerecht schlichten kann. Das diese Menschen emotionalen Gemüts nicht zwei Jahre auf ein Gerichtsurteil von irgendwoher warten möchten, ist vielleicht verständlich. Es ist aus diesem Schritt, den ich im übrigen nicht als gut empfinde, also nicht zu schließen, dass alle Menschen im Swat, die sich eben aus diesem Grund hinter die Forderung der Taliban gestellt haben wild darauf sind, Dieben die Hände abzuhacken, den Westen zu vernichten oder Ehebrecher zu steinigen. So viel nur als kleine Erklärung.
Dies war mein erster Eintrag über dieses an sich wichtige Thema, was wohl klarmachen sollte, welch geringe Rolle es in meinem Alltag spielt. Ich möchte, dass ihr auch ein anderes Gesicht Pakistans zu sehen lernt.