Montag, 10. November 2008

Was mache ich eigentlich?

Da mich Umairs (einer der Betreuten) Rufe, die durchs Haus dringen wach halten, nutze ich die Gelegenheit, einmal zu berichten, wie man sich meinen Tabesablauf vorstellen kann:
das Haus unserer Wohngruppe und der Familie Hannesen

Mein Wecker klingelt um sieben, kurz darauf stehe ich auf, dusche (seit kurzem weiß ich, dass nach ein bis zwei Minuten auch warmes Wasser kommt...zum Glück!) und bereite mit Shafique, einem Betreuten und Petra gemeinsam das Frühstück für die ganze Lebensgemeinschaft vor. Das Frühstück besteht aus geröstetem Brot aus unserer Biobäckerei, selbstgemachter Apfelmarmelade, gelegentlich Gemüse vom Vortag und natürlich leckerem Chai.
beim Frühstück

Das Frühstück beginnt um acht - soll es zumindest - begonnen mit einem Gebet und "Bismillah i rachman i rahim"
und etwa zwanzig Minuten später steigen Petra und ich, mit Schultaschen bepackt in den Bus, der uns über aus Schlaglöchern bestehende Straße durchs Dorf in die Green Earth Roshni School bringt. Dort gebe ich abhängig vom Stundenplan des Tages Englisch- und oder Kinderharfenunterricht, schmiere Pausenbrote für die unteren drei Klassen, spiele im Kindergarten mit oder helfe beim Handarbeitsunterricht.

Die Schule endet um halb zwei, dann fahren wir alle, das heißt neun Lehrerinnen, zwei Kinder und ein Fahrer, zurück nach Roshni, wo wir mit allen Betreuten, die dort tagsüber arbeiten und natürlich den Betreuern in der Caféteria ein Mittagessen aufgetischt bekommen. Da gibt es meistens eine Art von Dahl, Curry mit Pakora oder Sabzi/Gemüse, wieder mit übriggebliebenem Brot aus unserer Bäckerei. Das gemeinsame Essen ist meistens lebhaft und witzig. Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, brauche ich danach eigentlich imm er eine Pause.
Von halb drei bis kurz vor vier habe ich dann "Zeit für mich", die ich meistens mit den anderen Freiwilligen auf unserem Dach verbringe.
Weiter geht es um vier: dann mache ich, wieder gemeinsam mit Shafique, Chai und eine Kleinigkeit zu Essen für unsere gemeinsame Chai-Time, die - mal drinnen, mal draußen, mal kurz und schmerzlos, mal lang und gesprächserfüllt - eigentlich immer ein schöner Ruhepunkt im Tagesablauf ist.

Den Nachmittag verbringen wir sehr unterschiedlich. Häufig machen wir kleine Spaziergänge mit den Betreuten, manchmal machen wir zusammen Musik, malen, reden, machen Gartenarbeit oder Marmelade und gelegentlich nutzen einige von uns die Zeit auch für Ausflüge, etwa nach Lahore oder ins Dorf. Bis zum Abendessen, beziehungsweise rechtzeitig zum Vorbereiten müssen wir aber wieder zurück in Roshni sein. Das ist dann gegen halb sieben, so dass wir um sieben oder halb acht wieder alle Bewohner des Gruppenhauses um den großen Tisch versammelnn und ein Abendessen mit frischen Rotis, meistens eine Art von Dahl, Curry mit Pakora oder Sabzi/Gemüse, auch wieder mit übriggebliebenem Brot aus unserer Bäckerei anbieten können.
Das Abendessen wird auch mit einem Gebet und "Bismillah i rachman i rahim" eingeleitet und endet mit "Allhamdolelah", das im Chor gesprochen wird und "Gott sei Dank" bedeutet. Nach dem Abräumen machen wir einen Abendkreis (ein paar Lieder und ein Gebet), der den Tag abschließt und die Betreuten aufs Schlafengehen vorbereiten soll. Danach wartet jedoch für einen Betreuten und einen von uns Mitarbeitern der meist gigantische Abwasch, der gut und gerne eine Stunde in Anspruch nimmt. Währenddessen decke ich mit Gohar, einem lustigen und unglaublich unkonzentrierten Gesellen den Tisch fürs Frühstück. Bei jeder Bewegung muss ich danebenstehen!
Für den freien Feierabend geht es oft wieder aufs Dach, häufig mit Instant-Kaffee, manchmal aber auch vor den Fernseher für einen Filmabend, für eine gewisse Zeit an die Vorbereitungen für den kommenden Schultag und wenn es ganz schlimm kommt, sogar gleich ins Bett.
Jeder Tag verfliegt... Vielleicht vergehen pakistanische Stunden schneller als deutsche?!

Ein Besuch im SOS Kinderdorf Lahore

Gestern, an meinem freien Sonntag (ja, ausnahmsweise..) besuchte ich mit Waqas, seiner Familie, Rasmus und Petra das SOS Kinderdorf in Lahore. Wir wussten zuvor nicht, wo Waqas uns hinführen würde und noch viel weniger wussten wir, dass er selbst dort aufgewachsen ist. Der Ort jedenfalls hat einen großen Eindruck bei mir hinterlassen: Knapp zwanzig Häuser mit je drei Zimmern, zwei Bädern und einer Küche sowie einem kleinen Stück Rasen beherbergen jeweils etwa fünf Jungen und fünf Mädchen. Außerdem lebt in jedem Haus eine "Mutter", die allein für die Gruppe verantwortlich ist. Jedenfalls scheint das Konzept ganz hervorragend zu funktionieren, denn die Kinder und Jugendlichen, die ich dort traf machten keineswegs den Eindruck, als seien sie hilflose Waisenkinder, sondern selbstständige und vor allem selbstbewusste junge Menschen. Obwohl alles so schlicht ist und an vielen materiellen Dingen gespart werden muss, ermöglicht die klare Struktur (genaues Haushaltsbudget für die Gruppen, nur ein Besuchstag in der Woche) scheinbar ein schönes Zusammenleben trotz der schweren Situation. In der Mitte der oval angeordneten Häuser ist eie große Rasenfläche mit vielen Spielgeräten und Platz für Fußball. Außerdem wird dort im SOS Village großer Wert auf die Ausbildung der Kinder gelegt: jedem Kind wird der Schulbesuch, häufig sogar eines Colleges ermöglicht und bis zur Hochzeit werden sie nach Möglichkeit versorgt.
Noch nie habe ich in Pakistan Jungen und Mädchen so schön zusammen spielen sehen und auch selten habe ich Frauen so ausgelassen lachen hören, wie an diesem Ort.

drei Mädchen aus Haus 13



Samstag, 1. November 2008

Einmal mehr verfliegt die Zeit: Es gibt so vieles, wovon ich berichten möchte und so wenige Momente, in denen ich tatsächlich zur Ruhe komme um meine Erfahrungen aufzuschreiben.

Diese Woche war zum Beispiel die Reisernte bei uns in Roshni... Gemeinsam mit den behinderten Menschen, die in den Werkstätten hier arbeiten und den Schülern unserer Schule feierten wir vergangenen Dienstag ein herrliches Erntedankfest, bei dem jeder mithalf, den Reis mit kleinen Handsicheln in Bündeln abzuschneiden. Trommelmusik und ausgelassene Tänze, sowie leckere Rotis aus dem Tandoor (Lehmofen) gab es auch, so dass wir einen schönen Tag in der Gemeinschaft verbringen konnten.

drei Mädchen aus der zweiten Klasse

Parveen, Majeed und Waqas beim Rotis backen... bohot masedahd!

Wie der Kreislauf des Lebens eben so geht, konnten wir in den vergangenen Tagen sehr direkt miterleben. Kurz nachdem eine unserer Ziegen gestorben war, kam mir eines morgens auf dem Weg zur Schule ein kleines staksiges Zicklein entgegengewackelt, das kurz zuvor geboren worden war. Tags darauf gesellten sich drei weitere Kleine zu ihm... So ging es weiter, so dass wir jetzt einen Kindergarten mit sechs kleinen Ziegenkindern auf dem Hof haben, die uns alle wunderbar erheitern.
Freitag abends stand einmal wieder eine Hochzeit (von Farooq, Anums Onkel) auf dem Programm - genauer: die Mendhinight, die immer den ersten der drei Tage füllt. Die Familie der Braut lädt dafür die Familie des Bräutigams ein (normalerweise sind das dann mindestens 300 Menschen) und eigentlich geht es ja, wie schon unten beschrieben, darum, sich mit Hennatatoos zu dekorieren, doch das ging unter all den anderen Eindrücken völlig unter. Wir versammelten uns mit Farooqs Verwandtschaft im Haus einer Tante und fuhren in Vans gestapelt gemeinsam in einen anderen Teil der Stadt, wo uns ein herrlich dekoriertes, gigantisches Zelt erwartete, das wir in einem langen Zug, Kerzen tragend betraten. Die Frauen tragen bei Hochzeiten hier meist noch buntere Kleider als gewöhnlich, so dass aus dem Mix aus unzähligen Blumenketten, Lichtern und Stoffen ein richtiges Farbenfest wurde, untermalt von Trommelmusik, Gesang und leckerem Essen. Ein langer Abend.Wenngleich der Herbst langsam hereinbricht, ich morgens manchmal sogar schon eine Strickjacke trage, ist das Wetter hier tagsüber noch immer traumhaft. Man zerläuft nicht mehr bei jeder Bewegung und wer robust ist, kann noch immer auf dem Dach schlafen.