Freitag, 29. August 2008

Ich komme langsam an...

Ich habe es geschafft, meinen Laptop mit dem Telefonkabel-Internet zu verbinden.. schön! Physisch bin ich ja inzwischen seit fünf Tagen in Lahore angekommen, ansonsten natürlich noch nicht ganz...Mein Wasser koche ich inzwischen allerding schon nicht mehr ab. Tab-Water und bisher keine Magenprobleme... Das Leben hier in Roshni macht auf mich zur Zeit einen sehr harmonischen Eindruck.. ich fühle mich wohl und bin gespannt, wie sich alles entwickelt, wenn es zum Alltag wird.
Komplett sind die Strukturen und Aufgaben zwischen uns Freiwilligen/Betreuern (5,5 Deutsche, 0,5 Afghaner, 2 Pakistaner) noch nicht aufgeteilt. Bisher stand größtenteils Feldabeit, Belustigung der Betreuten, Hospitation in den Workshops, lecker, lecker Essen, Stoffe kaufen in der Stadt,... an. Heute war ich außerdem in der Schule, habe die Lehrerinnen kennengelernt und werde wohl ab kommender Woche 2-3 Tage dort verbringen und die Kinder ein bisschen kennenlernen. Auf die Arbeit freue ich mich schon. Außer mir wird noch Patra, eine deutsche Waldorflehrerin für eine Weile mithelfen. In wenigen Wochen werde ich dann auch mit dem Kinderharfenunterricht beginnen. Zwar bestehen meine Urdu-Kenntnisse noch immer aus Bruchteilen, aber ich werde immer eine Lehrerin zum Übersetzen an meiner Seite haben. Das mit dem Urdu ist momentan noch das größte Problem, aber ich gebe mir Mühe und versuche, mir möglichst viele Wörter sagen zu lassen... gelegentlich kann ich sie mir auch merken.
Hier meine Eindrücke vom ersten Abend im Zeitraffer: Abschied am Flughafen Frankfurt...im Flugzeug gleich Zenie aus Lahore kennengelernt, die mich gerne zu sich einladen möchte. In der Süddeutschen lese ich über einen potenziellen Präsidentschaftskandidaten für Pakistan- scheint noch ganz weit weg... Einreise problemlos, es gibt extra einen Schalter für Frauen - bei der Gepäckkontrolle ist mein Pass nicht auffindbar- Hektik- ach, da ist er! Ich habe auf dem Vorbereitungsseminar gehört, dass ich Männern nicht direkt in die Augen schauen soll-generell gibt es wenig Blickkontakt. Wir verlassen die Flughafenhalle, scheinen eine Sauna mit Aufguss zu betreten – extrem schwüle Hitze. Helmut, Helen und Rasmus von Roshni holen uns ab. Helen ist schon fast ein ganzes Jahr hier. „This way, this way!“, ein hilfsbereiter Pakistani nimmt mir fast das Gepäck ab, um mich zu seinem Taxi zu bringen – lieber zu unserem Kleinbus! Es folgt eine Fahrt durch etwas, das zunächst eine Filmkulisse zu sein scheint, sich dann aber als meine zukünftige Heimat auf Zeit herausstellt.. Lahore bei Nacht. Unzählige Männer in weißen Gewändern. Wir fahren an einem riesigen Zelt aus weißem Stoff vorbei,das über und über mit Lichterketten behängt ist – meine erste pakistanische Hochzeit! Vorbei an halb fertiggestellten, halb zerfallenen Gebäuden, über holprige Schotterpisten, die die Hauptstraße darstellen sollen. Ankunft im Roshni-Dorf. Shahida Perveen-Hannesen ist sehr höflich, freundlich...endlich gibt es Wasser! Natürlich abgefüllt und nicht aus dem Wasserhahn. Zimmerverteilung: Saskia und ich schlafen zusammen. Gott sei Dank! Es gibt fast überall Ventilatoren. Stromausfall. Licht geht wieder an, wieder aus. „das ist normal hier.. mindestens alle halbe Stunde.“ Duschen ist auch nicht mehr möglich-nach etwas Dreckbrühe kommt gar nichts mehr aus dem Wasserhahn – es gibt Schlimmeres! Wir setzen uns aufs Dach, reden, „ich nicht sprechen Urdu... leider!“ Ein Schuss! Ach, das war nur der Wachmann der Nachbarn, der sich behaupten will, wie Helen mir später erklärt. Dunst und Staub machen es unmöglich, weit in die Nacht zu schauen. In Deutschland ist es jetzt neun, hier schon zwei. Zeit, schlafen zu gehen.. mit Eidechse im Zimmer. Morgen aussschlafen? Ich bin viel zu gespannt, was mich erwartet!

Samstag, 23. August 2008

Roshni-Selbstdarstellung

Das Projekt, in dem ich die kommenden zwölf Monate verbringen werde, heißt Roshni ("Licht" auf der Landessprache Urdu) und da ich selbst noch nicht viel mehr darüber erzählen kann, ist hier eine Selbstdarstellung:

Ein west-östliches Gemeinschaftsprojekt in Lahore/Pakistan

Im Roshni Dorf, am Stadtrand von Lahore, arbeiten und leben Behinderte und nicht behinderte Menschen zusammen. Täglich kommen etwa 40 Menschen mit Behinderungen in das Tageszentrum von Roshni und arbeiten in drei verschiedenen Werkstätten. Weitere sechs Menschen leben gemeinsam in einem ersten Gruppenhaus. In einer kleinen Dorfschule lernen 55 Kinder im Kindergar ten und in den Klassen 1 - 5. Wir möchten die Begegnung zwischen Kulturen des Orients und Okzidents mit einer würdigen Lebensperspektive für Menschen mit Behinderungen verbinden.

Die Region

Lahore liegt in der Region Punjab, dem Land der fünf Flüsse. In dieser Landschaft blühte in der Zeit der alten Hochkulturen etwa gleichzeitig mit Ägypten und Mesopotamien die Indus-Kultur. Die islamische Kultur fand ihren Höhepunkt in der Her rschaft der Moghulkönige im 16. bis 18. Jahrhundert mit einem grossen Reichtum an Bauwerken, die vielfach noch erhalten sind. Durch ihre grosszügige und weisheitsvolle Herr schaft gelang ihnen ein Zusammenleben in religiöser Toleranz mit Hindus, Christen, Parsen und Muslimen. Delhi, Agra und Lahore w aren ihre Hauptzentren. Im Zuge der Unabhängigkeit von England wurde Indien 1947 geteilt und der neue Staat Pakistan gegründet. Beabsichtigt war, hier eine Heimat für die Moslems in Nordindien zu schaffen, die sich von der Hindu-Mehrheit vielfach benachteiligt fühlten. Lahore liegt dicht an der Grenze zu Indien und ist heute eine Millionenstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten und grossen alten Bazaren, einem vielfältigen Kulturleben, aber auch den üblichen Problemen moderner Großstädte.

Green Earth Roshni School

In der Umgebung von Roshni besuchen viele Dorfkinder weder einen Kindergar ten noch eine Schule. Erziehung und Schule sind zentrale Probleme von Pakistan. Die Methoden und die Didaktik sind sehr autoritär geprägt, die Klassen sind zu voll. Auf diesem Gebiet kann die Waldorfpädagogik wichtige Impulse geben. Unser Ziel ist die Erziehung zur Selbstständigkeit und zu umfassend gebildeten Persönlichkeiten.

Erzieher und Lehrerbildung

Um unser Ziel der Erziehung zur Selbstständigkeit und die Verbesserung von Lern- und Lehrmethoden zu er reichen, müssen Erzieher/innen und Lehrer/innen entsprechend ausgebildet werden. Für den Beginn des Kindergar tens hat dankenswerter Weise eine deutsche Waldorfkindergärtnerin ihr Freijahr eingesetzt und in Lahore verbracht. Weitere Hilfe von erfahrenen Lehrern ist willkommen. Gegenwärtig besuchen ca. 55 Kinder den Kindergar ten und die Schule.

Zukunft

Wir möchten die Lebensgemeinschaft auf insgesamt drei Häuser erweitern und eine kleine Ausbildungsstätte für Mitarbeiter aufbauen. Die Werkstätten sollen weiter entwickelt werden. Hier ist wiederum Hilfe willkommen, insbesondere in unserer Bäckerei. Auch den bio-dynamischen Gar tenbau und die Landwirtsc haft wollen wir intensiver ausbauen. Biologische Landwir tschaft ist in Pakistan noch wenig verbreitet und es ist dringend erforderlich, dass auf diesem Ge biet ein Modell geschaffen wird. Wir freuen uns sehr über Interessier te, die uns bei diesem Bemühen tätig oder finanziell unterstützen könnten. Erwachsene Menschen mit Behinderungen haben in unserem Tagungszentrum und den Werkstätten die Möglichkeit, selbstständig tätig zu werden, Freunde zu finden, etwas zu lernen. Bei Roshni gibt es drei Arbeitsbereiche: die Biobäckerei; die Holz- und die Textilwerkstatt.In der Biobäckerei entsteht nicht nur Brot zur Eigenversorgung, sie sorgt auch für Kontakt zum sozialen Umfeld. In der Holzwerkstatt produzieren wir Spielzeug, Bilderrahmen, Möbel, in der Textilwerkstatt Stofftiere, Einkaufstaschen, Stickarbeiten usw. Wir streben die Verwendung unbehandelter Naturprodukte an.

Unser Garten bietet Möglichkeiten vielfältiger Betätigung. Allerdings ist das Klima manchmal anstrengend. Neben der Arbeit gibt es breiten Raum für kulturelle und künstlerische Aktivitäten, wie für Malen und Plastizieren, für Musik und Theater.

Roshni Lebensgemeinschaft

Im ersten Gemeinschaftshaus der Roshni Lebensgemeinschaft leben Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Die Eltern der betreuten Menschen sind teilweise gestorben oder bereits zu alt. Manchmal sprechen auch andere Gründe gegen einen Verbleib in der Familie. Ein zweites Gemeinschaftshaus ist in Planung.


Mittwoch, 20. August 2008

die letzten Tage in Deutschland

Heute kam ich von meinem zehn-tägigen Weltwärts-Vorbereitungsseminar in Helmarshausen wieder nach hause. Die Zeit war war angenehm, ich habe einige beeindruckende Menschen kennengelernt und zahllose stundenlange Gespräche haben mich, so hoffe ich zumindest, tatsächlich weiter gebracht, so dass ich mich nun ausreichend für das Auslandsjahr vorbereitet fühle. Meine aktuelle Verfassung ist relativ ausgeglichen. Außer mancher Zeitungsnachricht aus Pakistan beunruhigt mich kaum etwas und die Vorfreude, die ich empfinde, ist weniger euphorisch als vielmehr eine gespannte Erwartung.
Vor dem Seminar verbrachte ich drei Tage in Bad Nauheim bei Gabriele, einer sehr lieben ehemaligen Waldorfschul-Musiklehrerin, die nicht unerheblich daran beteiligt war, dass im vergangenen Jahr 40 Kinderharfen nach Lahore in die Roshni-Einrichtung geschifft wurden. Durch meine Vorkenntnisse im Harfenspielen kam die Idee auf, dass ich nun endlich eine Art Kinderharfenunterricht in der ersten und zweiten Klasse anbieten könnte. Deshalb war es sehr wichtig, dass ich einige Einweisungen erhielt und ich glaube, in der Zeit viel gelernt zu haben übers Unterrichten, über Musik, über Fingerspiele, Pentatonik und Geschichten erzählen. Die drei Tage haben mir viel gebracht und an meiner Motivation wird das Vorhaben nun sicher nicht mehr scheitern.
Jetzt bleiben mir noch gut vier Tage hier in Nordhessen, was mir viel zu wenig erscheint, angesichts meiner Besorgungsliste und besonders, wenn mir klar wird, von wem ich mich gerne noch verabschieden möchte.